Reinhard Ruge
Die Arp-Schnitger-Orgel in der Ludgerikirche zu Norden (Ostfriesland)
Ob das Instrument in der Nordener Ludgerikirche als Schnitger-Orgel zu bezeichnen ist, hängt wesentlich davon ab, wie die Betrachtenden bzw. Hörenden gewichten. Freilich gab Arp Schnitger 1686 und 1692 dem Werk die Gestalt, die es seit der umfassenden Restaurierung durch Jürgen Ahrend 1985 wieder hat. Andererseits stammen „nur“ knapp die Hälfte der Pfeifen von Schnitger, darunter weder Prospekt- noch Zungenregister. Enthalten sind dagegen etliche ältere Stimmen. Im 19. und 20. Jahrhundert wurde der 150 Jahre hindurch gehütete Bestand aus unterschiedlichen Gründen bedenklich gerupft. Doch es hätte noch schlimmer kommen können: Zweimal entging das auch in seiner Position im Kirchenraum einzigartige Ensemble nur knapp der Beseitigung.
Dass wir heute in Norden noch eine liturgisch und akustisch zu weiten Teilen authentische Situation sowie eine nach bestem Wissen und mit größter Vorsicht wiederhergestellte Großorgel aus der Blütezeit des niederdeutschen Barock erleben dürfen, ist das Verdienst unter anderem von Helmut Winter, Harald Vogel, Jürgen Ahrend und seinem Team – nicht zuletzt aber von Reinhard Ruge. Er bildete während der umfangreichen Recherchen gleichsam das Continuo und ist daher der ideale Gewährsmann für diese vorzügliche Dokumentation.
Man mag bedauern, dass diese erst dreißig Jahre „verspätet“ erscheint; dafür bezieht sie viele Erfahrungen nicht nur mit dem Instrument selbst ein. Auch die Sichtweise aus der Distanz trägt zur angenehm flüssigen und unprätentiösen, dennoch ungemein informativen und vielschichtigen Darstellung bei. Schließlich konnten auch die zwischenzeitlich von Jürgen Ahrend zu seinem Restaurierungsbericht angefertigten Detailfotos und Mensurtabellen des historischen Pfeifenwerks einbezogen werden. Besondere Aufmerksamkeit wird den wichtigen und typischerweise kontrovers diskutierten Themen „Temperierung“ (hier leider nicht immer in der nötigen terminologischen Abgrenzung zum Begriff „Stimmung“) und „Farbfassung“ gewidmet.
Mit kurzen Abrissen zu den in Norden tätigen Orgelbauern und den an der Ludgerikirche wirkenden Organisten bzw. Kantoren liegt hier eine handliche, reich illustrierte Orgelmonografie vor, die so ausführlich wie nötig, jedoch im Umfang so knapp wie möglich gehalten wurde. Der feingliedrige Aufbau ersetzt nahezu das Personenregister, so dass der Band auch auszugsweise gut verwendbar ist. Dass die vielen Pfeifensignaturen sehr klein wiedergegeben sind, lässt sich verschmerzen: Niemand wird sie am Stück entziffern wollen; allenfalls helfen Nachfrage beim Jürgen Ahrend oder vergrößernde Kopien gewünschter Seiten.
Alles Wichtige zu dieser weltberühmten Orgel ist in diesem schönen Buch zusammengefasst, das außerdem gut in den Händen liegt und bei einem Besuch leicht mitzuführen ist. Letzteren kann man nur nachdrücklich empfehlen!
Markus Zimmerman