Werke von Heredia, Gabrieli, de Grigny, Weinberger, Peeters, Maus, Martorell i Miralles, Bezler, Hakim, Schmidt
Dedications – Widmungen
Musikalische Charakterbilder biblischer Frauen. Johannes Krutmann an der Goll-Orgel der Liebfrauenkirche in Hamm
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Dedications ist nach den 2019 erschienenen Nordlichtern die zweite CD, die der Dekanatsmusiker, Organist, Cembalist, Chorleiter und Orgelsachverständige Johannes Krutmann für das Label Ambiente an „seiner“ 2006 von der Luzerner Firma Goll erbauten Orgel in der Liebfrauenkirche in Hamm eingespielt hat. Beide sind sorgsam choreografierte Konzeptalben mit Werken aus verschiedenen Epochen und von Komponisten wie z. B. Bjarne Sløgedal, Egil Hovland (Nordlichter), Jaromir Weinberger oder Thorsten Maus (Dedications), die man in Konzerten und auf Tonträgern kaum zu hören bekommt.
Zum Programm schreibt Krutmann im Booklet-Text: „Eine Auswahl an Orgelkompositionen, ausgehend vom 16. und 17. Jahrhundert über das 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart, möchte mit dieser Aufnahme einen bewusst kaleidoskopartigen Überblick geben, der viele verschiedene Stile, Themen, Klänge und Formen darbietet und damit Gelegenheit gibt, sehr unterschiedliche Werke unter einem thematischen Ganzen zu entdecken.“
Die zehn Werke des Albums, beginnend mit Obra de primer tono sobra el paso de la „Salve Regina“ von Sebastian Aguilera de Heredia (1561–1627), Canzon deta „Suzanne un iour“ von Andrea Gabrieli (1533– 1586) sowie „Ave maris stella“ von Nicolas de Grigny (1672–1703) und endend mit Maria Magdalena von Willibald Bezler (1942–2018), Ave maris stella von Naji Hakim (geb. 1955) sowie Toccata über „Ave maris stella“ von Emanuel J. Schmidt (geb. 1978), erklingen nicht in streng chronologischer Reihenfolge. Dennoch haben die drei Komponisten aus dem 16. und 17. Jahrhundert das erste „Wort“. Der Schwerpunkt liegt deutlich auf „Ave maris stella“. Auch Toccata, Fugue et Hymnus sur „Ave maris stella“ von Flor Peeters (1903–86) und die Variationen über „Ave maris stella“ von Thorsten Maus (geb. 1972) huldigen diesem lateinischen Hymnus.
Man kann diese Fokussierung kritisieren und einwenden, dass Krutmann wichtige Werke unserer Zeit entweder übersehen oder nicht berücksichtigt hat. Genannt seien hier nur die zehn Porträts biblischer Frauen von Andreas Willscher (2015 im Verlag Dr. J. Butz erschienen). Dieses Manko verzeiht man aber gerne, zumal der Fokus auf „Ave maris stella“ auch Vorzüge hat: Es ist nämlich hochspannend, den unterschiedlichen Verarbeitungen durch die Jahrhunderte zu lauschen. Schmidts am Schluss erklingende Toccata ist geradezu eine Apotheose dieses berühmten Hymnus’, die dem starken Album eine würdige Krone aufsetzt.
Wie schon bei Nordlichter ist die Goll-Orgel auch hier das ideale Instrument für dieses Programm, wobei man sich allenfalls für die alten Werke ein kleineres und weniger romantisch klingendes Instrument gewünscht hätte. Krutmann registriert und spielt großartig; ein Höhepunkt des Albums ist in meinen Ohren Jaromir Weinbergers (1896–1967) fünfsätziger Zyklus Dedications – Five Preludes for Organ, der unbedingt neugierig auf den einstigen Reger-Schüler macht.
Burkhard Schäfer