Scheidt, Samuel (1587–1654)

Das Orgelwerk, Volume 11

Verlag/Label: 2 CDs, fagott F-3910-6 (2016)
erschienen in: organ 2017/01 , Seite 54

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Die vorliegende Einspielung repräsentiert die elfte Folge der verdienstvollen Gesamteinspielung der Orgelwerke des Hallenser Großmeis­ters Samuel Scheidt beim Label fagott. Der Organist Jan Vermeire hat hier (auf zwei CDs) eine breite Auswahl an Variationszyklen, Choralsätzen des Görlitzer Tabulaturbuchs und Teilen der so genannten Tabulatura nova zusammengestellt, die – dies sei vorab erwähnt – auf den aufmerksamen Hörer durchaus nicht ermüdend, sondern im Gegenteil recht unterhaltsam und farbig wirken. Als „Medium“ dient Vermeire die 2001 errichtete große Felsberg-Orgel der Kirche Saint-Vaast in Bé­thune (Nordfrankreich), von ihrem „Spiritus rector“ Jean-Marie Tricoteaux disponiert, mensuriert und wundervoll intoniert. Trotz der im Book­let angegebenen, im Vorfeld vom Rezensenten unpassender „Weichheit“ verdächtigten Valotti-Temperatur klingt diese einem frühen norddeutschen Stil verpflichtete Orgel authentisch, charaktervoll und zur rechten Zeit auch machtvoll gravitätisch, mit einem Wort: der Musik Scheidts bestens angemessen und dienend. Die fantasievolle Regis­ter­wahl des Interpreten stützt diesen schönen Eindruck und verhilft vor allem den zahlreichen Variationswerken zu großer Durchsicht.
Samuel Scheidt gilt als herausragende Erscheinung der deutschen Kunstmusik im 17. Jahrhundert; nach seinen Studien bei Jan Pieters­zoon Sweelinck in Amsterdam ließ er sich 1609 auf Dauer in seiner Vaterstadt Halle nieder und wirkte dort als höfischer Organist und Kapellmeis­ter, später als Director Musices der städtischen Kirchen. Die Wirren des Dreißigjährigen Krieges gingen auch an ihm nicht spurlos vorüber, u. a. verstarb ein großer Teil seiner Familie an der Pest.
Scheidts Bedeutung als Komponist für Tasteninstrumente ist seit langem unumstritten, nicht zuletzt durch den seinerzeit revolutionären Druck der dreiteiligen Tabulatura nova (1624) und des so genannten Görlitzer Tabulaturbuchs. Das Book­let zu den beiden CDs enthält detaillierte Quellenangaben zu den Werken dieser Einspielung, die als Besonderheit bisher weitgehend unbekannte Variationszyklen (Franzö­sisches Liedlein / Air de Lampons, Niederländisches Lied / Die flichtige Nimphe) anzubieten hat. Von den vertrauteren Stücken Scheidts erklingen die Passamezzo-Variationen, das große Magnificat im vierten Ton und die zwölf Canones aliquot aus der Tabulatura nova.
Jan Vermeire spielt musikalisch-süffig, mit hörbarem Verständnis für diese reiche Musik, und artikuliert vorwiegend angenehm gesanglich. Nur ganz vereinzelt hätte man sich etwas mehr Klarheit und „Schärfe“ diesbezüglich gewünscht – ein marginaler Einwand, der den Wert dieser sehr natürlich klingenden Einspielungen nicht zu schmälern vermag. Der Fortsetzung der Reihe mit Scheidts Tastenmusik sei weiterhin die rechte Fortune gewünscht!

Christian Brembeck