Scheidt, Samuel

Das Orgelwerk, Vol. 8

Verlag/Label: Fagott F-3909-7 (2013)
erschienen in: organ 2014/02 , Seite 52

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Samuel Scheidts Werk für Tasteninstrumente gehört zum umfangreichsten Œuvre dieser Gattung vor Johann Sebastian Bach. Seine Tabulatura Nova darf gleichsam als enzyklopädisches Werk gelten, in dem die damals gängigen Formen und Techniken kompendienhaft ex­­emplarisch zusammengefasst sind. Dabei sind besonders die kontrapunktischen Werke von herausragender Bedeutung.
Diskografisch dokumentiert ist das Schaffen Scheidts in sehr unterschiedlichem Maß. Einige Werke begegnen überaus häufig in CD-Programmen, andere dagegen gar nicht. Wenn also das Nischenlabel Fagott den Aufwand und das verlegerische Risiko einer Gesamteinspielung, die mittlerweile auf neun Volumes gediehen ist, auf sich nimmt, kann man zu Recht von einer diskografischen „Großtat“ sprechen, zumal damit alle Tastenmusikwerke Scheidts in kompakter Form auf Tonträger zugänglich sind. Dies alles ist umso erfreulicher, als für das Projekt erfahrene, in Alter Musik ausgewiesene Interpreten an heraus­ragenden historischen Instrumenten gewonnen werden konnten.
Die vorliegende CD enthält die Magnificat-Bearbeitungen im IV. und IX. Ton, die Galliarda Englese, Hertzlich lieb hab ich dich, die Pas­sa­mezzo-Variationen, Vatter unser, Ik voer al over Rhijn, Cantilena ange­lica und diverse Sätze aus dem Görlitzer Tabulaturbuch. Thomas Meyer-Bauer erweist sich als ästhetisch geschmackvoll agierender, stilsicherer Interpret. Der teilweise kühlen Strenge der Musik begegnet er mit einer entsprechend zurückhaltenden, aber nicht unpoetischen Darstellung der Partituren. Die beiden bekannten Instrumente (Holy 1710-13: 20/II/P angh.; Schnitger/Köhler 1698/1745: 18/II/P) sind tendenziell ein wenig zu jung für Scheidts Musik, was aber angesichts der überschaubaren Anzahl erhaltener guter Orgeln aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verständlich und entschuldbar ist. Das klangliche Ergebnis vermag am Ende jeweils zu überzeugen.
Einen Schwachpunkt teilen sich allerdings – naturgemäß – die meis­ten Gesamtaufnahmen eines so ausgreifenden Gesamtwerks: Neben bekannten und zu Recht beliebten Werken finden sich häufig auch weniger originelle Stücke bzw. eine Vielzahl von Gelegenheitskom­positionen. So manche Variation Scheidts entwickelt sich etwas holzschnittartig-schematisch, vieles wird somit voraussehbar und wirkt folglich banal. Ebenso sorgen die zahlreichen Choralsätze aus dem Görlitzer Tabulaturbuch in toto für eine gewisse Ermüdung beim Hörer. Hier handelt es sich um handwerklich tadellos gearbeitete „Gebrauchsmusik“ für den Gottesdienst – außerhalb dieses Verwendungskontextes büßen die Sätze jedoch rasch an Wirkung und musikalischer Bedeutung ein. Dabei laufen die wundervollen Pretiosen der Einspielung wie die Cantilena angelica rasch Gefahr, in der Masse des Dargebotenen unterzugehen. Obwohl das Label sichtlich um eine abwechslungsreiche Programmgestaltung bemüht ist, tut man gut daran, seine individuelle, gezielte Auswahl zu treffen, statt die ganze CD am Stück anzuhören.

Axel Wilberg