Heiller, Anton

Das Orgelwerk, Vol. 1

Complete Organ Works

Verlag/Label: Ambiente ACD-2007 (2013)
erschienen in: organ 2013/03 , Seite 56

3 von 5 Pfeifen

In Organistenkreisen zählt Anton Heiller zu den heute namentlich (noch) bekannten Vertretern einer Organisten- bzw. Komponis­ten­zunft, die im österreichisch-süddeutschen Raum maßgeblich zu einer Neuausrichtung der Kirchen- wie der konzertanten Orgelmusik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts beigetragen haben. Gleichwohl ist sein Name aus unserem Konzertbetrieb nahezu verschwunden. Einzig seine Tanz-Toccata überlebt hie und da auf ambitionierteren Programmen. Dass Heiller ganz im Gegensatz zu seinen französischen Kollegen kaum noch rezipiert wird, mag beim Anhören der vorliegenden CD nicht verwundern. Sein Kompositionsstil bietet eine fast „technisch“ anmutende, zum analytischen Konstrukt reduzierte Musiksprache, die sich klangsinn­lichen Momenten weitgehend verschließt. Fungierten in den vorangegangenen Jahrhunderten kontrapunktische Techniken als Mittel zum Zweck, so avancieren diese bei Heiller zum Selbstzweck der Musik.
Der Komponist beschreibt seine Tonsprache in Abgrenzung zu überladenem Pathos und spätromantischer Expressivität konsequent als eine, die „vor allem kompromisslos wahr ist, aus der viel Liebe, Entsagung und Opferwillen redet“. Heillers Absolutheitsanspruch mag aus „historischer“ Warte nachvollziehbar sein – er hat die Verführungen eines totalitären Regimes im eigenen Umfeld miterlebt und misstraut deshalb emotionalem Pathos –, doch im pluralis­tisch ausgerichteten Kulturbetrieb der Postmoderne hat er damit kaum eine realistische Überlebenschance.
Trotz aller Vorbehalte: Heillers ästhetisch „distanzierter“ Orgelstil hatte in seiner Zeit, namentlich innerhalb der orgelbewegten Nachkriegsjahrzehnte, seine Berechtigung und sollte vorab in ihrem historischen Entstehungskontext gesehen werden. Dass nun Roman Summer­eder eine Gesamteinspielung der Orgelwerke des Österreichers vorlegt, der nicht zuletzt als einflussreicher Pädagoge ganze Organistengenerationen seines Hei­matlandes geprägt hat, stellt ein Verdienst dar, das Anerkennung verdient als Ausdruck ehrlicher Wertschätzung. Denn Summereder ist ein Musiker mit Profil, der stets Wege abseits des Mainstreams beschritten hat.
Wer sich der Musik Schönbergs, Davids, Redas oder, wie im aktuellen Fall, Anton Heillers kompromisslos stellt, bedarf als Künstler längst nicht (mehr) der Zurschaustellung virtuoser Fertigkeiten. Wer sich mit dieser Musik seriös auseinandersetzt, ist zwingend kein Blender. Zwar ist man den „Reizen“ Heiller’scher Tonkunst in aller Regel kaum beim ersten Hören erlegen. Doch wer nicht vorschnell ab- bzw. den CD-Player ausschaltet, dem erschließt sich eine vermeintlich spröde, in ihrer Archaik durchaus fesselnde Musiksprache, die das Ohr schärft für all jene differenzierten (Zwischen-) Tö­ne, die im oberflächlichen Geplänkel unserer Zeit höchst selten Gehör finden.
Die große „Bruckner-Orgel“ in der oberösterreichischen Stiftsbasilika St. Florian erweist sich dabei in ihrer jetzigen Gestalt als ein adäquates klangliches Medium für die nachromantische Klanglichkeit des eingespielten Repertoires.

Wolfgang Valerius