Schönberg, Arnold
Das Orgelwerk
+ Viktor Ullmann: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke für Sprecher und Orgel
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Zur Orgel hatte Arnold Schönberg ein durchaus zwiespältiges bis distanziertes Verhältnis; denn das Instrument mit seinen natürlichen Oktav-, Quint- und Terzverdopplungen entsprach so gar nicht seiner musikalischen Ästhetik. Ein Kompositionsauftrag des New Yorker Verlags H. W. Gray führte im Jahr 1943 gleichwohl zu einer eingehenderen Beschäftigung mit der Orgel: Es entstand zunächst das Fragment einer Sonate und dann, nach Präzision des Verlegerwunsches, Schönbergs Opus 40, die Variations on a Recitative. Mit dieser wohl von dodekaphonen Erfahrungen inspirierten, aber letztlich tonal gegründeten Arbeit erwies Schönberg Bach und dessen Kunst der Fuge seine persönliche Reverenz auf der Orgel: in motivischen Anspielungen und allerhand kontrapunktischen Kunstfertigkeiten.
Für seine Einspielung des nicht einmal zwanzig Minuten umfassenden Orgelschaffens Schönbergs wählte Martin Schmeding, der seit 2004 Professor für Orgel an der staatlichen Hochschule für Musik in Freiburg ist, bewusst eine Konzertsaal-Orgel, nämlich das von der Bautzener Werkstatt Eule 2009 in der Duisburger Mercatorhalle errichtete viermanualige Instrument, das sich in seiner Disposition am englisch-sinfonischen Orgeltyp des frühen 20. Jahrhunderts anlehnt. Dies erweist sich als sinnvolle Entscheidung, denn dadurch erreicht Schmeding in der eher trockenen Saalakustik eine transparente Darstellung der komplexen musikalischen Strukturen, die jedoch zugleich als expressive Klangrede wirkt. Aus Schönbergs uvre interpretiert Schmeding weiterhin die Klavierstücke op. 19 in der Orgelbearbeitung Gottlieb Blarrs, wobei er bemüht ist, Schönbergs detaillierte dynamische Schattierungswünsche akribisch auch auf der Orgel zu realisieren.
Komplettiert wird die Einspielung durch ein Werk des zeitweiligen Schönberg-Schülers Viktor Ullmann, der zur Gruppe jener Künstler gehört, welche unter der nationalsozialistischen Herrschaft nach Theresienstadt deportiert und später in Auschwitz umgebracht wurden. Ullmanns letzte große Komposition, die für Sprecher und Orchester geschriebene Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, wird hier in Martin Schmedings
eigener Bearbeitung für Orgel wiedergegeben. Mit Rücksicht auf den Textvortrag lässt die Aufnahmetechnik den Orgelklang manchmal fast schon zu sehr in den Hintergrund treten als sie melodramatisch mit dem Text zu verzahnen, so dass etwa Ullmanns gezielt reitende Rhythmik mehr zu erahnen als klar zu vernehmen ist. Rilkes rhythmische Prosa inklusive der von Ullmann nicht berücksichtigten Zwischenteile wird von Torsten Meyer deklamiert: gezielt kostbar und pretiös, mit kunstvollen Verzögerungen und überdeutlicher Diktion. An diesem Manierismus, der zuweilen ein wenig blasiert wirkt, hört man sich freilich schnell ab: mag er auch als adäquat zur elaborierten Décadence-Kunst Rilkes gedacht gewesen sein.
Gerhard Dietel