Felix Mendelssohn Bartholdy

Das gesamte Orgelwerk

Aufnahmen an vier historischen Instrumenten in Paderborn-Dahl, Heddinghausen, Eslohe-Reiste und Meschede-Calle

Verlag/Label: Erzbistum Paderborn (2022)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/02 , Seite 62

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Einspielungen von Mendelssohns Präludien und Fugen op. 37 sowie den Sonaten op. 65 liegen zuhauf vor; diese Edition ergänzt zu „alle“ überlieferten Orgelwerke. Nicht weniger als drei Organistinnen und 14 Organisten waren beteiligt. Anlass gab der 175. Todestag Mendelssohns am 4. November 2022, den Dominik Susteck als neuer Leiter des Fachbereichs Kirchenmusik im Erzbistum Paderborn nutzte.
Die Aufnahmen fanden an vier historischen romantischen Instrumenten statt, von denen das inte­ressanteste die Orgel in Eslohe-Reiste (1854, II/29) von Anton Fischer aus Beckum ist. Sie enthält noch Register aus der ehemaligen Grafschafter Orgel von 1633 (I/10), weitere Register des 18. Jahrhunderts, darunter die Vox humana (!), während Fischer 1854 Laden und zehn Register neu fertigte; 2018 musste Eule sechs Register erneuern. Zwar sind im Internet die Daten zu den Orgeln teilweise zu eruieren; ein großes Manko ist, dass das Booklet nur die Baujahre und letzte Restaurierungen verzeichnet. Auch der Paderborner Orgelbauer Carl August Randebrock (1825–76) war nicht nur regional bedeutend. Er baute sehr solide Schleifladen-Instrumente, wie an den hier vorgeführten drei Orgeln von Paderborn-Dahl (1865, II/21), Meschede-Calle (1861, II/26) und Heddinghausen (1864, II/15, dazu vier Doppelschleifen) abzulesen und zu hören ist. Allerdings stammt keines der Instrumente aus der Lebenszeit Mendels­sohns, sie gehören einer späteren Epoche an, sind damit grundtöniger, weniger durchhörbar. Die Aufnahmetechnik, etwas entfernt von den Instrumenten positioniert, lässt so viel Nachhall zu, dass z. B. die charakterstiftenden Pausen im Kopf­­satz der c-Moll-Sonate geschluckt werden.
Zu Recht sind nicht alle der 63 MWV-Nummern vertreten, einige Jugendwerke, meist „Vorproduktionen“ späterer Sonatensätze, sowie die beiden Fugen für zwei Spieler sind nicht aufgenommen. Dafür hört man die Fugen e-Moll (MWV 24) und f-Moll (26), das Andante D-Dur (32) und das Andante F-Dur (30), das Allegro d-Moll/D-Dur (33), die Passacaglia c-Moll (7) und die Choral-Partita „Wie groß ist des Allmächt’gen Güte“ (8) sowie den Choral „O Haupt voll Blut und Wunden“ (27) mit seinem Variations-Fragment. Leider ist hier sowie für die Fantasie und das Fugen-Fragment g-Moll (9) nicht angegeben, wer sie vollendete.
Für die Booklettexte sorgten Paul Thissen (Kompositionen) und Jörg Kraemer („Die Orgelwelt Mendels­sohns“) mit kundigen Beiträgen. Hier findet man auch die Kompositionsdaten und MWV-Nummern.
Dass die meisten Titel werkgetreu legato eingespielt sind, versteht sich von selbst. Dass es auch anders geht, zeigt Adam Lenart mit der blendenden Fuge B-Dur (54, Variante zu op. 65,4, 4. Satz) und der Fuge e-Moll (24) im gekonnten Nonlegato. Ein Licht geht auf, wenn am Ende der dritten CD die Fischer-Orgel in Reiste in den Sonaten B-Dur und D-Dur erklingt. Ihr lichter Klang macht Mendelssohns Werke hörgerecht. In den Binnensätzen der Sonaten dürfen auch Soloregister erklingen, von besonderem Reiz ist hier der mystische Klang der Flauto traverso in Reiste.

Rainer Goede