Danziger Barock I: Volckmar Gronau Mohrheim
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Die beiden CDs sind bezüglich ihres Genres so eng miteinander verknüpft, dass sie nach einer gemeinsamen Besprechung geradezu verlangen. Verbindendes Element ist einerseits die beeindruckende von Andreas Hildebrandt 171719 erbaute Orgel (36/II/P), die 2013 durch die Dresdner Werkstatt Wegscheider aufwändig restauriert wurde. Aber auch die Programmgestaltung der beiden Aufnahmen wurde optimal zwischen den Interpreten abgestimmt. Rahmen bilden jeweils drei Orgelsonaten von Theophil Andreas Volckmar (16861768); dazwischen erklingen Choralbearbeitungen und Variationen von Daniel Magnus Gronau (ca. 16851747), Friedrich Gottlieb Gleimann (ca. 171382) und Friedrich Christian Mohrheim (171980). Besonders erfreulich ist, dass Martin Rost und Krzysztof Urbaniak eine Mikroverfilmung der seit 1947 verschollenen Choralvariationen von Mohrheim ausmachen konnten und so das ohnehin gegenüber Hamburger und Lübecker Meistern vernachlässigte Danziger Repertoire um gewichtige Werke mit aufschlussreichen Registrieranweisungen bereichern konnten. Man muss kaum eigens erwähnen, dass Instrument und eingespieltes Repertoire hier eine ideale symbiotische Verbindung eingehen. Die Hildebrandt-Orgel besticht gleichermaßen mit charaktervollen Solostimmen wie auch mit einem gravitätischen Plenum und eignet sich so in besonderem Maße zur Darstellung spätbarocker Werke.
Die Musik selbst spiegelt den hohen virtuosen Standard der damaligen Danziger Organisten ebenso wider wie das solide kompositorische Handwerk ihrer Urheber. Die Werke zeigen fast ausnahmslos bereits mehr oder minder ausgeprägte Merkmale des kommenden galanten Stils und präsentieren sich somit fast avantgardistisch. Manche Wendung erinnert an die Tonsprache der Bach-Schüler-Generation wie Krebs, C. P. E. Bach, Homilius. Ähnlich wie bei diesen ist die eine oder andere Sequenz doch recht voraussehbar, und manche Melodie verliert sich ein wenig in allzu gefälliger dreiklangseliger Einfalt. Diese kleineren, eher marginalen Kompositionsmängel sollen aber keinesfalls den Blick auf höchst originelle Wendungen verstellen. So beginnt die Fuge in Volckmars d-Moll-Sonate in der Manier des stylus gravis, recht ernst mit einem altväterlichen chromatischen Thema. Der strenge Satz wird allerdings unvermittelt durch concertoartige Zwischenspiele unterbrochen bzw. gelockert: eine höchst gelungene Synthese von Altem und Neuem!
Zum Gelingen dieser Aufnahmen tragen vorab natürlich die beiden Interpreten bei, die beide ausgewiesene Spezialisten für barocke Orgelmusik des hanseatischen Raums sind. Rost amtiert an der großen, ebenfalls vorbildlich durch Wegscheider restaurierten Stellwagen-Orgel in Stralsund. Urbaniak leitet die Konzertreihe in Pasle?k, ist hier sozusagen zu Hause. Beide gehen mit kraftvollem Impetus und betont virtuosem Zugriff zu Werk, was der spielfreudigen Musik sehr entgegenkommt. Aufnahmetechnik und Ausstattung der CDs sind untadelig. Alles in allem eine höchst erfreuliche Neuerscheinung von ausgesprochen hohem Repertoirewert.
Axel Wilberg