Nowowiejski, Felix
Concertos for Solo Organ, Vol. 1
Einzug in den Dom, Marche festive op. 8/3 / Concert pour orgue op. 56/1 / Pièces pour orgue op. 9 / Concert pour orgue op. 56/2
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Der Abstammung nach war der 1877 in Barczewo (Wartenburg) geborene Felix Nowowiejski Pole, aber eher möchte man ihn übergreifend als europäischen Komponisten bezeichnen. Wenn Nowowiejski sich in späteren Jahren auch als polnischer Patriot fühlte, so war er andererseits kulturell stark deutsch geprägt, besonders was die Musik betrifft, deren Studium ihn nach Berlin führte. Doch noch ein weiterer Einfluss prägte den Stil seiner Orgelwerke entscheidend. Als Meyerbeer-Stipendiat aus Berlin nach Paris geschickt, entdeckte Nowowiejski dort die Klangwelt der französischen Orgelsinfonik für sich und folgte in seinem eigenen Schaffen deutlich den Vorbildern Widors und Viernes.
Bis vor gut zehn Jahren dürfte der Name des polnischen Komponisten speziell Freunden der Orgelmusik, wenig gesagt haben. Das hat sich geändert, seit der mit der Orgellandschaft Polens vertraute Rudolf Innig sich Nowowiejskis Schaffen angenommen und erste Aufnahmen vorgelegt hat. Einer Gesamteinspielung von dessen neun Orgelsinfonien und einer weiteren CD mit diversen Orgelstücken folgt nun eine dritte Veröffentlichung, in deren Zentrum die beiden ersten der vier Konzerte für Orgel solo op. 56 stehen.
Innigs bisher vorgelegte Nowowiejski-Interpretationen fanden ein zustimmendes bis begeistertes Echo in der Fachpresse, und auf gleicher Höhe hält sich die Fortsetzung seines Editionsprojekts. Zum technischen und gestalterischen Vermögen Innigs kommt hinzu, dass ihm mit der Sauer-Orgel des Bremer Doms ein passendes Instrument für die Darstellung von Nowowiejskis spätromantisch geprägter, nur selten einmal auch modernere Schreibweisen einbeziehende Musik zur Verfügung steht. Das mit 113 Registern auf vier Manualen (davon zwei Schwellwerken) ausgestattete Instrument bietet eine umfangreiche Palette an orchestralen Klangfarben, und so kann Innigs Spiel eine überwältigende Fülle bei den großen Klangaufgipfelungen der Partituren entwickeln, aber auch auf ein differenziertes Angebot charakteristischer Solostimmen zurückgreifen, um die recht genauen Register- und Manualverteilungsvorschriften des Komponisten adäquat zu realisieren.
Abgerundet wird Innigs Werkauswahl auf der vorliegenden CD durch einige kleinere Orgelkompositionen Nowowiejskis, die wohl aus konkreten Anlässen entstanden und für den liturgischen Gebrauch bestimmt sind: fantasievolle Bearbeitungen gregorianischen Melodieguts oder von in Deutschland unbekannten polnischen Kirchenliedern. Es wäre gut denkbar, dass die vorliegende Einspielung den einen oder anderen Organisten dazu animiert, auf solche Stücke des polnischen Komponisten für die gottesdienstliche Praxis zurückzugreifen. Das wäre ganz im Sinne Innigs, der seinen Einsatz für den bis dato wenig bekannten polnischen Komponisten als Anfang einer hoffentlich weiteren Verbreitung von dessen Werken sieht.
Gerhard Dietel