Elgar, Edward (18571934)
Complete Original Organ Music
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Betrachtet man das Programm der vorliegenden CD-Einspielung näher, dann verwundert der Titel den Kontinentaleuropäer doch ein wenig: Da ist die Rede von Edward Elgars originalen Orgelkompositionen doch originär für das Instrument Orgel ist einzig seine Sonate op. 28 geschrieben; alle anderen hier eingespielten Werke sind Bearbeitungen, wenngleich sie schon seit Generationen zum Orgelrepertoire eines jeden veritablen Organisten aus Großbritannien zählen.
Den Rahmen bilden die beiden unvermeidlichen Klassiker Elgars, der wie kaum ein anderer Komponist zur klanglichen Identifikationsfigur einer ganzen Nation geworden ist, zeigt sich hierin doch sein untrügerischer Sinn für das Zeremonielle. So erfreuen sich bis heute seine Märsche einer großen Beliebtheit, nicht zuletzt bei staatstragenden öffentlichen Anlässen. Ist sein Imperial March op. 32, komponiert 1897 zum sechzigjährigen Thronjubiläum von Königin Victoria und noch im selben Jahr vom Organisten der Londoner St. Pauls Kathedrale, Sir George Clement Martin, für Orgel bearbeitet, oft bei kirchlichen Feiern zu hören, so gehört der erste der fünf Pomp and Circumstance-Märsche, ebenfalls unmittelbar nach der Uraufführung durch Edwin Lemare für Orgel bearbeitet, zum alljährlichen Pflichtstück der Last Night of the Proms in der Londoner Royal Albert Hall. Obwohl Bearbeitungen, gehören diese Werke ganz selbstverständlich zu den Paradestücken angelsächsischer OrganistInnen. Elgars Märsche klingen im Gegensatz etwa zum wilhelminisch-preußischen Ufftata leicht und beschwingt, und zwischen den Noten lugt stets der sprichwörtliche englische Humor hervor.
Der zuweilen jugendlich draufgängerische Elan des 1990 geborenen Daniel Justin, gerade zum Director of Music der katholischen Kathedrale von Norwich ernannt, schützt ihn gerade in diesen beiden Stücken vor falschem Pathos. Die Musik hat trotz protokollarischer Etikette stets ausreichend Verve, und mit leichtfüßiger Eleganz meistert der Interpret ganz nebenbei die spieltechnischen Anforderungen. So zeigt er sich denn auch der fulminanten Sonate G-Dur gewachsen. In der eher trockenen Akustik der Kathedrale von Leeds besticht Justin mit artikulatorischer Präzision sowie gestalterischer Klarheit, die stets das Ganze im Blick hat. Wunderbar musiziert ist auch Nimrod aus den Enigma-Variationen. Einzig die Cantique, die von der Aufnahme her allzu direkt eingefangen ist, hätte etwas mehr Sentiment vertragen können.
Die 1904 von Norman & Beard erbaute Orgel, über die man im Beiheft leider nichts erfährt, gilt als herausragendes Beispiel britischen Orgelbaus zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nach dreißig Jahren unfreiwilliger Schweigsamkeit wurde die Originalsubstanz 2010 von Klais restauriert, gleichzeitig das Instrument aber den heutigen Anforderungen einer auch musikalisch lebendigen Kathedralkirche angepasst und auf insgesamt sieben Teilwerke erweitert. Erstaunlich, mit welchem Geschick hier Intonateur Frank Retterath das Neue in die bestehende historische Substanz integriert hat.
Wolfgang Valerius