Bruhns – Hasse

Complete Organ Works

Verlag/Label: Dynamik CDS 7685 (2013)
erschienen in: organ 2014/04 , Seite 54

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Manuel Tomadin vereint das jeweils mehr als überschaubare Gesamtwerk der Zeitgenossen Nicolaus Bruhns und Nicolaus Hasse auf einer CD. Die Wahl des Instruments fiel auf die an Arp Schnitger orientierte Dell’Orto & Lanzini-Orgel im piemontesischen Pinerolo. Die dreimanualige Orgel bietet alle Möglichkeiten zur gültigen Darstellung norddeutscher Barockmusik. Inwie­weit der Charakter einer solchen Orgel wirklich getroffen ist, bliebe vor Ort zu entscheiden. Die sehr direkte Aufnahme lässt neben vielen Schönheiten doch auch einige Unebenheiten der Intonation hören.

Tomadin spielt mit entschlossenem Zugriff, in Sachen stylus phantasticus bestens informiert, und liefert eine in jeder Hinsicht seriöse Interpretation. Es gelingen ihm großartige Momente, allerdings kann man sich des Eindrucks kaum erwehren, dass in einigen Punkten des Guten zuviel gewollt wurde. Manche überbordende Verzierung wäre vielleicht doch in reduzierter Variante passender gewesen, manches abrupte Rubato besser sparsamer dosiert ausgefallen. Ähnliches lässt sich von den Registrierungen sagen. Nicht jeder Farbwechsel ist strukturell motiviert und ließe sich vermutlich im Konzert auch mit Hilfe nur eines Registranten nur mit Mühe ausführen. Tomadins Vorliebe für die teilweise recht derb intonierten Zungenregister hat dann leider auch zur Folge, dass beispielsweise zum Beginn von Nun komm der Heiden Heiland die Mittelstimmen völlig untergehen. Immerhin findet man hier doch eine Menge interessanter Anregungen …

Da an Bruhns-Gesamteinspielungen auf dem Tonträgermarkt kein Mangel herrscht, dürfte es diese Aufnahme angesichts der üppigen Konkurrenz schwer haben, sowohl was die Klangqualität als auch die Interpreta­tion betrifft. Vermutlich werden viele Musikliebhaber eine Aufnahme an einer historischen Or­gel oder etwa Lorenzo Ghielmis unaufdringlich elegante Einspielung vorziehen.

Kaufen sollte man die CD wegen der vier Choralbearbeitungen des Rostocker Organisten Nicolaus Hasse, die im Falle von Komm, Heiliger Geist und Jesus Christus, unser Heiland zu einer veritablen Fantasie angewachsen sind. Hier wird mit großformatigen Werken einer früheren Generation eine echte Repertoirelücke geschlossen. Der im Vergleich zu Bruhns deutlich strengere Stil gelingt Tomadin sehr gut.

Axel Wilberg