Bruhns, Nicolaus
Complete Organ Works
sowie Werke von Arnold Melchior Brunckhorst und Anonymi
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Weit mehr als der Titel angibt, bietet die CD neben dem uvre von Nicolaus Bruhns Werke von Arnold Melchior Brunckhorst, einen anonymen vierteiligen Kyrie-Zyklus aus der Handschrift U 298 der Lübecker Stadtbibliothek, eine ebenfalls anonyme Versus-Bearbeitung über Du Friedefürst ohne Quellenangabe sowie eine Registervorstellung der Johann-Hinrich-Klapmeyer-Orgel (172730) durch den Organista loci Ingo Duwensee.
Das Ensemble der Bruhns-Aufnahmen ist pünktlich zum Bruhns-Jubiläum 2015 (350. Geburtstag) erschienen. Welch inneren Bezug nunmehr Brunckhorst und die Anonymi zum Jubilar aufweisen, bleibt indes unklar. Wie auch das Autorschaftsproblem des Bruhns zugeschriebenen g-Moll-Praeludiums in der Schwebe bleibt: Im Begleittext (S. 19) wird berichtet, dass die Zuschreibung 2006 durch Dietrich Kollmannsperger angezweifelt worden sei, während auf der CD immer noch bzw. kommentarlos Nicolaus Bruhns als Autor erscheint. Dieser Fall konnte inzwischen definitiv und eindeutig zugunsten Brunckhorsts entschieden werden, wie die inzwischen mehrfach vorhandene Literatur belegt (Ars Organi, 54. Jg. 2006, S. 111 f.; N. Bruhns / A. M. Brunckhorst, Sämtliche Orgelwerke, Mainz: Schott 2007; Klaus Beckmann: Die Norddeutsche Schule, Teil II, Mainz: Schott 2009, S. 533, 547 ff.). Ähnlich bei Du Friedefürst, wo der Notentext seit 2009 in der Individualausgabe des vermuteten Verfassers Peter Morhard samt Quellenangabe Lüneburger Tabulatur KN 209 vorliegt (Morhard, Sämtliche Orgelwerke, Mainz: Schott 2009 / Meister der Norddeutschen Orgelschule, Band 19).
Das G-Dur-Praeludium erhält seine vorteilhafte Profilierung durch geschickte kontrastierende Gegenüberstellung der Werke HW, RP, BW und Pedal, farblich wie dynamisch, wobei das Pedal in seinen solistischen Strecken unverhältnismäßig dominiert. Wohltuend konstant in Tempo, Artikulation und durchsichtiger Registrierung werden Dupel- und Tripelfuge musiziert, während ein schmissiger Raptus, vermutlich dem ominösen Stylus phantasticus geschuldet, die tokkatisch-figurativen Partien prägt bei den mehrfachen Wiederholungsfiguren erklingt eher ein vorweggenommener Sturm und Drang à la manière de Beethoven als barocke Deklamation.
Ähnlich die Darstellung von Nicolas Bruhns Opus summum in e-Moll: aparte Farbgebung, Bemühen um Kontrastierung indes fehlt in Altenbruch der Hallraum. Ergänzte Ornamentierung ist bei Buxtehude und seinem Schüler? bekanntermaßen nicht erwünscht. Die Choralfantasie Nun komm erscheint insgesamt meditativ sehr zurückgenommen; ein Wechsel der Satzstruktur wie in Takt 58 ff. wird freilich nicht als Kontrast aktiviert. Insgesamt ein klingendes Orgelporträt mit adäquater Literatur.
Klaus Beckmann