Froberger

Complete Music for Harp­sichord & Organ

Verlag/Label: 16 CDs, Brilliant Classics 94740 (2016)
erschienen in: organ 2016/04 , Seite 54

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Soeben hat der rührige italienische Organist und Cembalist Simone Stella auf 16 CDs die vorliegende Gesamteinspielung sämtlicher bis heute bekannter Orgel- und Cembalowerke aus der Feder des diesjährigen Jubilars Johann Jacob Froberger (1616–67) veröffentlicht. Stella, Gewinner zahlreicher Wettbewerbe und in der internationalen Konzertszene bestens repräsentiert, bediente sich hierzu akribisch des aktuellen Froberger-Werkverzeichnisses und berücksichtigte die entsprechenden Forschungen von Siegbert Rampe. Auch die Wahl der In­strumente ist recht sinnfällig:?Neben drei gut restaurierten italienischen Original-Orgeln in Florenz (Badia Fiorentina, Basilica della SS. Annunziata) und Bassano del Grappa bezog Stella auch die relativ neue, nach norddeutschen Mustern konzipierte Pinchi-Orgel in der Basilica di San Giorgio fuori le mura in Ferrara in seine Instrumentenwahl ein. Die Cembalowerke werden dagegen auf einem Instrument aus der Werkstatt von William Horn nach Johannes Ruckers gespielt.
Froberger ist eine der schillernds­ten Musikerfiguren des 17. Jahrhunderts. Seine verschiedenen Dienstherren ermöglichten ihm zahlreiche Reisen in alle wichtigen Metropolen Europas. Seine musikalische Stilis­tik ist dementsprechend von großer Offenheit und Vielfalt geprägt. Die Toccaten, Ricercare und Cappricci weisen starken italienischen Einfluss auf, wohingegen die Suiten und deren besondere Spezialität, die „Lamentations“, völlig dem bisweilen extrem spekulativ anmutenden fran­zösischen „style brisé“ verpflichtet sind. In der Tat ist Froberger in diesen Werken noch progressiver als die Kollegen Chambonnières und Couperin … Ebenso zählt – seelische Zustände oder erlebte gefährliche Situationen widerspiegelnde – Programmmusik zu seinem Repertoire. Seine letzte Gönnerin und wohl auch Schülerin Sybilla von Württemberg beschrieb Frobergers Musik sinngemäß als nur von ihm selbst angemessen darstellbar.
In der Tat braucht es starke Intuition und intensive Beschäftigung mit den unzähligen Ausdrucksmöglichkeiten dieser Musik, die natürlich auch den heutigen Interpreten wie Hörer extrem fordert. Insofern ist Simone Stella eine respektable Leistung gelungen, viele Momente seiner Aufnahme überzeugen rundum. Da man aufgrund des enormen Pensums leise Zweifel an der gleichbleibenden musikalischen Qualität  von Gesamteinspielungen durch lediglich einen einzigen Interpreten grundsätzlich leise Vorbehalte hegen mag, sei entsprechend angemerkt, dass bisweilen (vor allem bei den Toccaten) etwas „Feuer“ fehlt, zuweilen auch eine gewisse „visionäre“ Ruhe in den Lamentations.
So schön und natürlich die Aufnahme die Orgeln klanglich eingefangen hat, so wenig überzeugt
leider das Cembalo – auf dem Bild der Cover-Rückseite lässt sich sogar die extrem direkte Mikrofonierung erkennen –, während das Instrument selbst klangfarblich sehr blass bleibt. Schade auch deswegen, weil ein großer Teil der Einspielung sich des Cembalos bedient! Trotzdem: eine Froberger-Totale, die sich nicht verstecken muss und dem geneigten Hörer viele neue Aspekte erschließen kann.

Christian Brembeck