Tasini, Francesco

Commentaria in Vitam S. Claræ Virginis

per organo antico

Verlag/Label: Edizioni Carrara 5435
erschienen in: organ 2016/01 , Seite 62

Erschienen ist die vorliegende Musik des oberitalienischen Organis­ten und Komponisten Francesco Tasini (*1952) aus Ferrara als Ausgabe 2/2015 in der Reihe Contemporaneo der Edition Carrara. Die Aufmachung dieser Reihe ist visuell reduziert, da statt einem gän­gigen Notenformat das Notationsbild der Musik hier etwas kleiner im Format DIN A4-quer erscheint. Dennoch lässt sich der Text angenehm lesen.
Mit dieser Musik liegt eine weitere zeitgenössische Komposition für die Orgel vor, die explizit auf ein historisches Instrument ausrichtet ist. Allen Sätzen liegt das Kyrie aus der Missa gregoriana XI zugrunde. Die vier „Kommentare“ wurden für das Hochfest der Schwester Klara von Assisi komponiert, entsprechend verweisen sie auf die Tageslesungen. Die Uraufführung fand am 11. August 2003 im Klarissenkloster Cortona (Italien) an der Orgel der Klos­terkirche von 1832 statt; die Orgel ist mit kurzer Oktave ausgestattet.
Retrospektiv ist die Stilistik. Vom äußeren Notenbild denkt man an barocke Musik mit verziertem Cantus firmus, Choralbearbeitungen, freien Läufen, tänzerischen Rhythmen und Orgelpunkten. Spielt man die Musik jedoch an, so zeigt sich eine Art modernisierter Kontrapunkt, der entfernt an den Stil der norddeutschen Orgelbewegung erinnert. Maßgeblich trägt dazu der konventionelle Satz bei, der „scholastisch“ mit „falschen Tönen“ operiert, während im Gesamten die Grundtonart zu erahnen ist.
Bezeichnenderweise wird der
erste Satz vom Bass her aufgebaut, der sich über die Grundtöne D, G und A erstreckt. Die kolorierten Farben rücken die Musik ins Verschobene, da einige tonale Regeln außer Kraft gesetzt sind. Der zweite Satz ist ein Adagio mit freien Einschüben als Laufwerk. Tänzerisch bewegt sich der dritte Satz im 12/8-Takt. Seine Melodiestimme ist mit Verzierungen bestückt. Der ruhige letzte Satz baut Orgelpunkte auf, die in den oberen Lagen zu finden sind, während sich der Bass wie zu Beginn auf die Fundamenttöne stützt.
Trotz der freien Läufe vollzieht sich die Musik immer in einem traditionellen Taktrhythmus. Hinzu tritt eine von Grundtönen durchzogene Harmonik. Beim Spielen ist es deshalb schwer, den inneren Fluss der Musik aufrechtzuerhalten, da weder Rhythmus noch Harmonik den Spannungsbogen verstärken. Zugleich sucht die Musik diese Eigenschaft durch Verzierungen und Bewegungen im Kleinen zu ersetzen. So ergibt sich für den Spieler die Aufgabe, die Komposition mit ausgearbeitetem Binnenspiel zu verlebendigen.

Dominik Susteck