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Claviermusik aus Nürnberg

Tastenwerke von Nürnberger Komponisten ( Agrell, Hainlein, Haßler, Kindermann, Krieger, Pachelbel, Staden, Schultheiß, Wecker) für Cembalo, Orgel, Clavichord und Regal

Verlag/Label: TYXart TYX 13037 (2013)
erschienen in: organ 2014/03 , Seite 49
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Wie gut, dass es den Oberbegriff „Clavier“ für Tasteninstrumente des 17./18. Jahrhunderts gibt. So steht eine breite mögliche Auswahl verschiedener Instrumente für die damalige „Claviermusik“ zur Verfügung, sofern nicht Spezifika wie expliziter Pedalgebrauch eindeutige Festlegungen erfordern. Vorliegende Einspielung vereint einen Regal-Nachbau (ca. 1600/1984), ein originales italienisches Orgelpositiv (Nea­pel, 1775), eine zweimanualige Cembalo-Rekonstruktion (spätes 18. Jahrhundert/1998) sowie einen Clavichord-Nachbau (ca. 1700/ 2009) zu munterem klanglichen Wettstreit. Das Repertoire umfasst Tastenwerke ausschließlich Nürnberger Meister, die in der luthe­­­­-
ri­schen Reichsstadt entweder in kirchlichen oder städtischen Diens­ten tätig waren. Haus- bzw. Claviermusik wurde vom damaligen kulturbeflissenen reichsstädtischen Bürgertum sehr geschätzt. 
Unter den 14 zum Teil mehrsätzigen Titeln befinden sich sieben Ersteinspielungen, so auch die beiden abgesetzten Chorlieder Hans Leo Haßlers, die dem Regal zugewiesen sind. Dem tänzerischen Nun lasst uns fröhlich sein in althergebrachter Kombination von gerader und ungerader Taktart kommt die skandierende Eigenart des Regalklangs durchaus entgegen, während die lineare und affektbezogene Qualität der Liebesklage Ach weh der schweren Pein gewisse Einbußen erfährt. Bei Johann Stadens Allamanda und Balletto, die dem Clavichord anvertraut sind, ergibt sich ein ähnlich zwiespältiger Eindruck: Die feinziselierten Allemanda-Variationen klingen überzeugend strukturkonform, der Tanz dagegen wirkt aufgesetzt, angestrengt. Freies, einfühlsames Figurieren, stilisierter Tanz und liedmäßige Erfindung zeigen sich in einer Auswahl aus Georg Caspar Weckers Partita, nämlich in den Sätzen „Praeludium“, „Ballett“, „Aria“ und „Courante“, wobei sich das Cembalo als probates Medium für eine profilierte Wiedergabe erweist. 
Der bekannteste der versammelten „Nürnberger“, Johann Pachelbel, ist mit der Choralpartita Freu dich sehr, o meine Seele, auf dem Cembalo gespielt, vertreten; bei immerhin zwölf Bearbeitungen stellt sich indes die Frage, ob nicht eine Auswahl oder die vielfarbige Kirchenorgel – Sankt Sebaldus in Nürnberg verfügte immerhin über ein opulentes 64’-Instrument – für eine heutige werkdienliche Präsentation günstiger wäre. Auf dem Clavichord sehr gelungen, weil mit charakte­ris­tischen Satzprofilen (Takt, Tempo) vorgetragen, erklingt Benedict Schultheiߒ Suite G-Dur aus dessen ers­tem deutschen Druck (1679/80) mit der Standardfolge „Allemande“ –„Courante“–„Sarabande“–„Gique“.
Schließlich markiert Johann Joachim Agrell, schwedischer Herkunft, eine deutliche Zäsur: Barock ist passé, die galante Zeit bzw. Vor- oder Frühklassik angebrochen. Seiner (Cembalo-) Sonata VI (1748) verleiht Ralf Waldner – hochmotiviert wie auch bei den übrigen Stü­cken – überzeugendes musikantisches Profil.  
Klaus Beckmann