Bach, Johann Sebastian
Clavier-Übung III
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Wie oft ist Bachs Orgelmesse in der Vergangenheit eingespielt worden. Und doch erlebt man bei gewissen Neuaufnahmen immer wieder Überraschungen, lassen Künstler den unergründlichen Reichtum eines derartigen Chef duvre ganz neu aufleben so auch James Johnstone. Die Besonderheit beginnt mit der Wahl des Instruments von Joachim Wagner im Dom zu Trondheim. Die mittelgroße Orgel präsentiert sich in einem prächtigen Klangfarbengewand; strahlende Plenum-Registrierungen wechseln sich mit charaktervollen Einzelstimmen ab, und alles ist bei dieser doch teilweise sehr komplexen Musik stets plastisch durchhörbar. Die Orgel besitzt zudem unglaublich schöne und stabile Pedalzungen. Sie steht etwa einen halben Ton höher als normal und kommt daher den Instrumenten in Bachs historischem Umfeld nahe. Die Werckmeister-Temperatur macht die ohnehin spannenden harmonischen Abläufe noch intensiver erlebbar.
Johnstone beginnt das eröffnende Präludium gravitätisch, aber lebendig, differenziert die Länge der Auftaktnoten und spielt überhaupt mit einer sehr feinfühligen Agogik. Grundsätzlich sind seine Tempi, der polyphonen Struktur der Musik angemessen, sehr ruhig, was der Rezeption der Informationsfülle Bach-scher Musik entgegenkommt. Die Spielweise des großen Choralvorspiels Vater unser im Himmelreich könnte man in diesem Zusammenhang fast als abgeklärt bezeichnen. Andererseits setzt Johnstone mit manchen Interpretationen regelrecht virtuose Kontrapunkte, etwa bei den Pedaliter-Fassungen von Christ, unser Herr, zum Jordan kam und noch mehr bei Jesus Christus, unser Heiland, fast atemberaubend gespielt, aber keinesfalls atemlos oder gehetzt. Beim Anhören aller Teile des Monumentalwerks wird einem auch bewusst, welche Pretiosen die wesentlich seltener gespielten Manualiter-Fassungen (die sogenannte Kleine Orgelmesse) darstellen, die leider zumeist im Schatten der großen Geschwister stehen.
Über die vier Duette und ihre Stellung in der und Zugehörigkeit zur Orgelmesse überhaupt wurde schon viel diskutiert. Ob es nun Elemente zur Komplettierung der Gesamtsumme aller Teile zur Zahl 33 als Symbol der Trinität sind und/ oder sie als tonartlich aufsteigende Brücke fungieren zwischen dem letzten Choralvorspiel zum Anfang der Fuge hin, das sei einmal dahingestellt
Johnstone interpretiert sie sehr lebendig mit kammermusikalischem Touch, und man hat keinesfalls das Gefühl, dass es sich dabei um Fremdkörper im Gesamtkomplex handeln würde.
Bei der abschließenden Trinitäts-Fuge kann man bezüglich der Temporelationen auch zu anderen Ergebnissen kommen. Der Interpret spielt alle drei Fugen in einem zügigen Grundpuls durch; man hat sogar den Eindruck, als würde die Lebendigkeit bei jedem Taktwechsel etwas an Intensität zunehmen.
Alles in allem eine ausgezeichnete und mit Freude anzuhörende Aufnahme. Auch das äußere Erscheinungsbild der CD präsentiert sich ansprechend; einziger kleiner Wermutstropfen ist, dass die lesenswerten Texte nur auf Englisch abgedruckt sind.
Christian von Blohn