Rübsam, Wolfgang

Christ ist erstanden

10 Choralvorspiele für die Fastenzeit und Ostern für Orgel

Verlag/Label: Schott Music ED 21644
erschienen in: organ 2013/03 , Seite 62

Nach 10 Choralvorspielen zur Advents- und Weihnachtszeit (Schott ED 21189) legt Wolfgang Rübsam (geb. 1946) unter dem Titel Christ ist erstanden nun 10 Choralvorspiele für die Fas­tenzeit und Ostern vor und komplettiert somit seine Sammlung hinsichtlich der zweiten großen liturgisch besonders geprägten Zeit des Kirchenjahres. Bei der Durchsicht der kurzen, im Gottesdienst hervorragend verwendbaren Piècen lässt sich neben der Verwendung historischer Vorbilder ein weiterer, grundsätzlicher Aspekt finden, der alle Stücke verbindet: die Freude am Kontrapunkt!
Ob als Tenordurchführung mit ostinatem Quint-Bass und rankenden Kontrapunktstimmen wie in Herzliebster Jesu oder als „baritonaler“ Cantus firmus mit Alt-Kanon in der Terz (!) über einem Orgelpunkt mit ausdeutenden Seufzer-Motiven und Sextolenketten, als ba­­rock anmutendes kanonisches Trio (Beim letzten Abendmahle), als Quintkanon wie in Christ ist erstanden (mit leichter Differenzierung der drei Strophen wie Sechzehntel-Freuden-Motiven beim „Halleluia“) oder als „normaler“ Oktavkanon bei Christ lag in Todes Banden (mit quintig parallel mitgeführter linker Hand als „archaischem“ Klangeffekt) – jedes Stück ist auf raffiniert andere Weise polyphon gestaltet. Ausnahmen stellt lediglich die Toccata über Nun freue dich, du Chris­tenheit dar, das den Zyklus abschließende und nicht einfach zu spielende Stück, oder auch das mit fanfarenartigen Eckteilen auftretende Gelobt sei Gott im höchsten Thron. Überhaupt gibt Rübsam dem Interpreten manch knifflige Aufgabe zu lösen: Bei O Mensch, bewein dein Sünde groß braucht man für die vier klanglichen Ebenen ein drittes Manual, auf dem eine eigene Stimme nach Art eines „Quattuor“ à la Marchand oder Guilain mit Daumenfortschreitung meist der rechten Hand bewältigt werden muss.
Die Bearbeitung von Erschienen ist der herrliche Tag erinnert durch die Anlage des Außenstimmen-Ka­nons an Bachs Orgelbüchlein, Rübsam führt aber die Mittelstimmen eigenwillig und schafft durch die Fünfstimmigkeit „à la manière de Nicolas de Grigny“ eine andere Atmosphäre. Zudem ist das Stück als A-B-A-Form angelegt mit einem ostinaten Bass-Aufgang im Mittelteil.
Das Pedal insgesamt ist auf die unterschiedlichste Weise behandelt, oft als reine Cantus firmus-Stimme, ostinat oder auch in Doppelfunktion in Kombination mit reiner Begleit-Charakteristik und / oder Orgelpunkt (wie bei O Traurigkeit, o Herzeleid).
Resümierend lässt sich feststellen, dass auch in diesem zweiten Band der Autor handwerklich gekonnt und fantasievoll agiert, wobei die Choralvorspiele trotz Anlehnung an ältere Vorbilder durch die teilweise recht herbe Harmonik einer eigenen „moderneren“ Tonsprache huldigen.
Auch dieser (vor-)österliche Zyk­lus sei zur Aufführung in Liturgie und Konzert, aber auch zum kontrapunktischen Studium für „anfah­rende OrganistInnen“ an unseren Hochschulen uneingeschränkt allerwärmstens empfohlen.

Christian von Blohn