Bernardino Bottazzi
Choro et Organo
Federico Del Sordo an der Orgel von St. Bernardino da Siena, Nova Schola Gregoriana, Ltg. Alberto Turco
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Der Organist und Continuospieler Federico del Sordo hat sich offenbar der altitalienischen Alternatim-Praxis verschrieben. Mit seiner Einspielung von Bernardino Bottazzis (1560–1614) Choro et organo legt er eine weitere Dokumentation dieses speziellen Repertoires vor, das in seiner Struktur vom 15 bis weit ins 19. Jahrhundert Paradigma und Rückgrat lateinischer Kirchenmusik nicht nur in Europa war, heute aber fast ein Nischendasein führt: Es ist eben nur bedingt konzert- oder gar medientauglich, vielmehr ganz auf die gottesdienstliche Feier bezogen.
Auf den beiden CDs erklingen – stets im Wechsel mit den gesungenen Gregorianischen Versen – die Orgel-Versetten zu drei Messen, zwei Credos (!), 22 Hymnen (jeweils nur eine Strophe) und vier Marien-Antiphonen. Die Nova Schola Gregoriana unter der Leitung von Alberto Turco musiziert dabei ebenso natürlich-unprätentiös wie Federico del Sordo. Dieser entlockt der von Francesco Zanin 2003 erbauten und an Vorbildern des 16. Jahrhunderts orientierten Orgel von San Bernardino in Siena mit ihren gerade einmal acht Registern eine erstaunliche Klangvielfalt. Dass sich jedoch Klangfarben, Formen, Formeln und Satzarten in den kirchentonalen kurzen Stücken wiederholen, liegt in der Natur der Sache. Schließlich handelt es sich bei der 1614 erschienenen Sammlung, dem einzigen erhaltenen Werk des Franziskaners Bottazzi, um ein Lehrwerk, das der Interpret im Booklet-Text (englisch, wohl computerübersetzt) in Beziehung zu vergleichbaren Kompendien bringt: Adriano Banchieri, Dirolamo Diruta oder Giovanni Battista Fasolo.
An der Aufführungs- und Musizierpraxis dieser Aufnahme gibt es nichts auszusetzen, ebenso wenig an ihrer offenbar dem Druck folgenden Anlage. Dennoch stellt sich vor dem Hintergrund der oben angesprochenen Problematik ein seltsames Gefühl ein: Kaum jemand wird die ganze Sammlung en bloc hören oder aufführen, und die Alternatim-Praxis wird selbst in Klöstern nur selten konsequent zu realisieren sein. Andererseits ist es nicht hoch genug zu schätzen, dass diese liturgiebezogenen musikalischen Kostbarkeiten nun als Hörbeispiele verfügbar sind und hoffentlich zumindest zur partiellen (Wieder)belebung im Gottesdienst anregen. Die durchaus eingängigen Vertonungen der Hymnen bieten sich als Einstieg an, bevor man sich an die ebenfalls hörenswerten Credo-und Messzyklen wagt. Niemand unterschätze dabei die Schwierigkeit, Gregorianische Gesänge überzeugend vorzutragen oder die überschaubaren Orgelsätze mit der nötigen Spannung und mit angemessenen Kolorierungen zu gestalten. Für all dies ist diese Einspielung ein probates Lehrwerk.
Markus Zimmermann