Chattin’ with Bach

Verlag/Label: Querstand VKJK 1210 (2012)
erschienen in: organ 2013/01 , Seite 58

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Als der französische Jazzpianist Jacques Loussier ab 1959 seine Play Bach-Alben herausgab, rief er heftige und teils schroffe kontroverse Reaktionen hervor. Darf man das, sich mit Methoden des Jazz – Synkopierungen, Tempoverdoppelungen, ajoutierten Akkorden etc. – an J. S. Bach „vergreifen“? Füfnzig Jahre später hat Bachs sakrale und säkulare Musik längst irreversibel in den Jazz, die Pop-Musik und Werbe-Jingles Eingang gefunden.
Daniel Schmahl legte bereits im Jahre 2006 die CD Back to Bach vor. Für seine zweite CD Chattin’ with Bach versammelte er Johannes Gebhardt, Wolfram Dix und Jan Hoppenstedt in der Konzerthalle „Carl Philipp Emanuel Bach“ in Frankfurt an der Oder um sich, wo sie zwischen März und August 2010 die vorliegende CD einspielten.
Das Booklet in englischer und deutscher Sprache enthält einige Schwarz-weiß-Fotos der ehemaligen Klosterkirche der Franziskaner in Frankfurt (Oder), eine Aufnahme des zu einer Konzerthalle umgebauten Innenraums des Gotteshauses und eine Prospektaufnahme der Sauer-Orgel, die 1975 vom VEB Frankfurter Orgelbau Sauer errichtet wurde; außerdem die Disposition der Orgel sowie Kurzviten der vier Musiker und ein längeres Interview mit Daniel Schmahl.
Vergeblich sucht man indes im Booklet nach aussagekräftigen „Titeln“ der sechs Aufnahme-Tracks (sie werden allenfalls am Beginn der Wiedergabe sichtbar, falls man sie über einen PC laufen lässt…). Der erste Orgel-Track trägt den Titel Toccata 7 und entpuppt sich nach wenigen Sekunden als Bachs „dorische“ Toccata, adaptiert an ein 7/16-Taktschema. Das Thema wird jedoch nicht konsequent, wie etwa bei Loussier, fortgeführt, sondern mit Anspielungen auf die sattsam bekannte Habanera aus Bizets Carmen durchmischt und löst sich in mehr oder weniger freie, formlose Improvisationen aller Instrumente auf. Danach folgen zwei Balladen, in denen Motive aus Bachs Brandenburgischem Konzert Nr. 2 fragmentarisch verarbeitet werden, ein Stück namens Nature Boy und eine Fantasie über Bist du bei mir sowie ein Jesus Groove.
Der Titel der CD ergab sich „beim Spielen mit den Ideen von Bach […]. Wir begeben uns mit Johann Sebastian Bach in einen imaginären Chatroom und versuchen ein modernes, sehr jazziges Gespräch mit ihm.“ (Daniel Schmahl) Alle vier Musiker sind technisch an ihren Instrumenten fraglos versiert. Musikalisch gesehen bleibt jedoch nicht viel Substanzielles übrig: Der Dialog mit Bach – auf Augenhöhe – blieb hier leider aus. Es fehlt, gerade im Zusammenhang mit Bach, die geistreiche Lebendigkeit bzw. der exaltierte Drive in den einzelnen Stücken. Von einem innovativen Austausch mit Bachs Ideen ist wenig zu hören. So macht sich auch beim wohlwollenden Hörer rasch Langeweile breit. Zu den halbherzigen Anfragen der Musiker im diskografischen Chat­room hatte Meis­ter Bach offenbar keine passenden „messages“ parat … schade eigentlich!

Christian Ekowski