Otfried Büsing
Change – Orgelwerke
Cosima Büsing, Mezzosopran, Martin Schmeding und Ulfert Smidt, Orgel, Marie Schmeding, Registrantin
Bewertung: 5 von 5 Pfeifen
Der im November diesen Jahres siebzig Jahre alt werdende Otfried Büsing deckt in seinem kompositorischen Schaffen eine größtmögliche Breite ab. Zu fast allen Gattungen hat er beigetragen: experimentelle Klaviermusik, Kammer- und Orchestermusik, Liedzyklen, ein Kindermusical und eine Kammeroper. Einen klaren Schwerpunkt bilden aber Werke, die im kirchlich-religiösen Bereich anzusiedeln sind. In Texten über den studierten Kirchenmusiker Büsing wird öfter die zentrale Stellung von Und ich erzähle, einer modernen Ergänzung des Fragments der Bachschen Markuspassion (BWV 247), innerhalb seines Werks betont.
Bereits im Grundschulalter unternimmt Büsing erste Kompositionsversuche. Diese beruhen auf seinen eigenen Improvisationen am Klavier. Improvisatorische Elemente und Werkteile finden sich hernach bei Büsing immer wieder. Als wichtigste Elemente seiner kompositorischen Handschrift nennt er die von ihm selbst geprägten Begriffe „selektive Reihentechnik“, „materialer Kontrapunkt“ und „Spektralsynthese“, die sich nach seinem eigenen Bekunden über sein ganzes Werk erstrecken. Auf der vorliegenden CD werden große Teile seines Orgelwerks im Zusammenhang vorgestellt: drei größere Werke für eine bzw. zwei Orgeln, ein Werk für Mezzosopran und Orgel und einige kleinere Orgelchoräle aus Fünf Orgelchoräle (2014) und Kleines neues Orgelbüchlein (2018). Neben musikalischen Ideen steht das Instrument Orgel selbst im Mittelpunkt der Kompositionen – und natürlich der Raum, in dem sie aufgestellt ist. So ist etwa Horizont speziell für die Möglichkeiten der romantischen Sauer-Orgel in der Leipziger Thomaskirche geschrieben. Mittels der fußbetriebenen Crescendo-Walze entsteht hier so etwas wie eine Reflexion auf ferne Musik. „Horizont: Etwas, was entfernt ist – woher man kommt, wohin man geht; Silhouetten, Weite.“
Die große Setzeranlage an der Rieger-Orgel in der Christuskirche in Freiburg nutzt Büsing in Polychromie „zu vielfältigen und abrupten Wechseln in den Farben und dynamischen Werten des Orgelklangs bis an die Grenzen. Zur manuellen Spielvirtuosität, die ja Tradition hat, kommt so – ein Novum – der schnelle Klangwechsel als technisch begründete instrumentenspezifische Virtuosität hinzu (vertreten durch die Registrantin, die ebenfalls virtuos gefordert ist).“
Wie kann man sich die Vision des Johannes (Offenbarung 4,6) „Und vor dem Thron war es wie ein gläsernes Meer“ vorstellen, wie in einem Klang verdeutlichen? „Die beiden Organisten spielen ihre jeweiligen Stimmen oft unabhängig voneinander, sodass bei jeder Aufführung und je nach Entfernung der Orgeln und der jeweiligen Zuhörer im Raum durch unberechenbare Überschichtungen ein anderes Klangresultat die Folge ist – die rätselhafte optische Version vom gläsernen Meer wird in ein unsichtbares Klangrätsel verwandelt.“ – Es ist das Orgelporträt eines Komponisten, das neben seinem gelungenen experimentellen Umgang mit dem Instrument durch seine musikalisch-dramaturgischen Bögen voll und ganz zu überzeugen vermag!
Ralf-Thomas Lindner