Best’s Bach

Selected Organ Works and Chaconne for Solo Violin arranged by William Thomas Best

Verlag/Label: SACD, audite 92.663 (2012)
erschienen in: organ 2012/03 , Seite 52

3 von 5 Pfeifen

Tut sich was in Orgel-Deutschland? Nach den Jahrzehnten eher eingefahrener Lehrmeinungen bezüglich „authentischer“ Interpretationen vor allem der Werke J. S. Bachs fasst die jüngere Generation ambitionierter Organisten mehr und mehr den Mut, aus dem verordneten Gleichschritt der musikalischen Doktrin vermeintlicher „Halbgötter“ der Aufführungspraxis auszuscheren. Dass man da zunächst Anregung von au­ßen und weiterhin „historische“ Absicherung etwa in den einschlägigen Quellen sucht, mag ein erster Schritt in eine neue Freiheit sein, sollte aber nicht zum neuer­lichen Joch werden. Vor allem jedoch sollte man sich davor hüten, nach Jahren geradezu exzessiver Frankomanie auf dem Orgelsektor das alleinige Heil nunmehr in der angelsächsischen Orgeltradition zu suchen.
Bezugnehmend auf Leopold Stokowski bringt der Interpret Carsten Wiebusch im CD-Booklet programmatisch zum Ausdruck, was allen bedeutenden Künstlern zu allen Zeiten klar war: dass „große Kunstwerke jenseits zeitlicher und räumlicher Gebundenheit bestehen; große Musikwerke auch jenseits von konkreter musikalischer Umsetzung“.
Musikalisch erweist sich Wiebusch sodann als passionierter Klangregisseur, der seinem Instrument, der 1966 erbauten Klais-Orgel der Christuskirche Karlsruhe, die 2010 durch die Erbauerwerkstatt grundlegend überarbeitet und um romantisch-orchestrale Register/ Teilwerke erweitert wurde – eine dynamisch breite Palette an Klangfarben abgewinnt. Bestimmte Registerkombinationen, bei denen die Verschmelzungsfähigkeit der neu hinzugefügten Stimmen besonders gelungen ist, liegen ihm dabei offensichtlich sehr am Herzen.
Wer die vorliegende Aufnahme etwa im Vergleich zu den Einspielungen der Altmeisterin Käthe van Tricht hört, wird im Gegensatz zu der seinerzeit orches­tral-flächigen, fast schon monochromen Dynamik der Straube-Schule hier neben der beeindruckenden Dynamik eine ex­pressiv-differenzierte Klangfarbencharakteristik ausmachen. Zuweilen verliert sich Wiebusch schon mal in einem zu detaillierten Ausregis­trieren der Partitur, das Ganze verliert sich in der bloßen Addition zu vieler Einzelteile. Dennoch verleiht er der Bach’schen Musik Dramatik, öffnet neue Aspekte in bislang eher verpönte „emotionale“ Tiefenschichten. Angesichts satter ätherischer Streicherklänge mag einigen Puristen ein „Kreuzige ihn …!“ über die Lippen kommen. Aber sollte der zwanzigfache Vater – und rein äußerlich schon nicht unbedingt asketisch wirkende Kapellmeister und lutherische Thomaskantor – wirklich ein Asket und Kostverächter gewesen sein, und dies ausgerechnet in musikalischen Dingen? Eher unwahrscheinlich!
Angesichts des im Kern nach wie vor „orgelbewegten“ Instruments und der allzu „protestantischen“ Sprechakustik wird man sich doch etwas schwer tun mit dem gewählten CD-Titel [William Thomas] Best’s Bach. Mit etwas Wohlwollen hat Wiebusch jedoch ein ansprechendes „Best of Bach“-Produkt kreiert. Vermutlich hätte Bach das hier angerichtete „englische“ Menü doch gemundet …

Wolfgang Valerius