Hg. von Paul Thissen unter Mitarbeit von Jürgen Buchner

Bach und Reger im Zentrum

Gerhard Weinberger zum 75. Geburtstag

Verlag/Label: ortus musikverlag, Beeskow 2023, 299 Seiten, 35 Euro
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/02 , Seite 58

Gerhard Weinberger gehört zu den Organisten des 20. und 21. Jahrhunderts mit dem größten Wirkungskreis: Davon zeugen nicht nur seine umfangreichen Einspielungen, sondern auch die Zahl seiner Schüler:­innen, die er als Hochschullehrer in München und Detmold ausgebildet hat; viele von ihnen sind Domorganisten und -ka­pellmeister sowie Hochschullehrer mit ihrerseits großem Einflusskreis. Der Ortus-Verlag legte zum 75. Geburtstag Weinbergers eine thematisch vielseitige Festschrift vor, die Paul Thissen redaktionell sorgfältig betreut hat.
Der Titel Bach und Reger im Zent­rum verweist auf die beiden Pole im Wirken Gerhard Weinbergers; folgerichtig widmen sich einige der Beiträge diesen Themenfeldern: Ort­win Nimczik präsentiert auf der Basis seiner Erfahrungen als Detmolder Kollege einen überaus lesenswerten Interpretationsvergleich zu Bachs Kunst der Fuge, während Jürgen Schaarwächter in seinem um­fassenden und überaus versierten Beitrag Regers Orgelfugen erkundet.
Aber auch über Bach und Reger hinaus spannt der Band einen Bogen, der immer wieder Interessensbereiche Weinbergers berührt: So steuert Wolfgang Haas mit einem umfangreichen Beitrag zum Briefverkehr seines Großvaters Joseph Haas mit dem Schott-Verlag aus den Jahren 1933 bis 1945 eine wichtige und notwendige Aufarbeitung von brisantem Quellenmaterial bei, die allein den Band schon lesenswert macht. Friedhelm Brusniak ordnet die Ottobeurer Tagschriften Basil Millers als musikgeschichtliche Quellen ein, und Ikarus Kaiser stellt den Linzer Komponisten und Kirchenmusiker Franz Neunhofer vor. Christiane Michel-Ostertun widmet sich der Didaktik des Improvisationsunterrichts im Rahmen des Kirchenmusikstudiums sowie der Zukunft des „Geschwisterpaars“ Schulmusik und Kirchenmusik in der deutschen Hochschullandschaft. Zum praktischen Umgang mit Absolventen äußert sich Hans Bäßler mit einem Plädoyer für eine substanzielle Vermittlung zwischen diesen systematisch getrennten Bereichen. Sehr hilfreich ist Maryam Ha­lawis Ausdifferenzierung der Mythen rund um die Wirkung von Jac­ques-Nicolas Lemmens. Friedhelm Flammes Votum für Richard Bartmuß als (fast) vergessener „Or­gel­meis­ter“ macht überaus neugierig, ebenso wie die Vorstellung der Orgel-Symphonien Auguste Fauchards (1881–1957), die der Herausgeber Paul Thissen vornimmt.
Am Beginn des Bands steht ein Beitrag von Robert Knappe, der unter dem Titel „Generalschwellwerksorgeln von Abt Vogler bis in die Gegenwart. Eine Typologisierung von Instrumenten mit Perspektiven für den modernen Orgelbau“ eine Thematik fokussiert, die Weinberger immer wieder im besonderen Maß interessiert haben dürfte: Orientiert an der Städteachse Paderborn – Detmold – Berlin legt der Autor vor allem unter Bezugnahme auf das Wirken der Orgelbaufirma Eggert-Feith organologische Fragestellungen eines be­merkenswerten Orgelbautyps dar.
Einige eher persönlich gehaltene Beiträge ergänzen die wissenschaftlich orientierten Texte. Der Band schließt mit einer umfangreichen Dokumentation der Tätigkeit von Gerhard Weinberger als Herausgeber wie als Interpret, dargelegt in einer üppigen Diskografie.

Birger Petersen