BACH Flauto & Organo

gnès Blanche Marc, Flöte; Helene von Rechenberg an der Sandtner-Orgel in St. Joseph, Tutzing

Verlag/Label: Spektral (2022)
erschienen in: organ - Journal für die Orgel 2024/02 , Seite 63

Bewertung: 4 von 5 Pfeifen

Als Kind der Siebziger kennt man sie aus eigener „Anhörung“: die Blockflöte. Keine Familienfeier, kein Weihnachten, ob in der Kirche oder unterm Tannenbaum im trauten elterlichen Heim, war zu jener Zeit denkbar ohne dieses hölzerne Teil. Selten wurde dieses Instrument dabei von Profis „gehändelt“, meist von enthusiastischen Amateuren in der präpubertären Phase ihrer Menschwerdung. Es gab aber auch andere (Erweckungs-)Erlebnisse um die Blockflöte, zugegeben eher selten, wie etwa ein Konzert eines (semi-)professionellen Blockflöten-Orchesters in der halligen Akustik einer Kirche. Da klang das verrufene Instrument plötzlich weder schrill noch gequält, sondern traumhaft harmonisch, zuweilen gar nach einer trefflich intonierten Orgel, nach Musik aus einer anderen Sphäre.
Die Flötistn Agnès Blanche Marc und die Organistin Helene von Rechenberg zeigen mit ihrer CD nun auf höchst professionellem Niveau, dass David und Goliath keine Gegensätze sein müssen, dass es hier nicht um Klein gegen Groß geht, auch nicht darum, wer den längeren Atem hat. Vielmehr schauen die Interpretinnen auf die Gemeinsamkeiten beider Instrumente und finden dabei zu einem erstaunlich homogenen Miteinander, sowohl klanglich als auch musikalisch. Mitunter muss man genau hinhören, um die Orgel- von der Flötenstimme zu unterscheiden. Aber das Ganze ist mehr als nur Orgel, erweitert um ein weiteres „Flöten-Register“: Es ist ein musikalischer Dialog, der, auch wenn er in klar choreografierten Bahnen verläuft, eines nie außer Acht lässt: den gepflegtem Umgangston.
Die beiden Musikerinnen sind mit Elan bei der Sache, in ihrem Tun stets agil und lebendig. Und genau das ist es, was diese CD so faszinierend macht: Alles wirkt authentisch, natürlich und frei von jeglicher Künstelei, weit entfernt von synthetischer Studioproduktion. Die Musik ist wunderbar beredt und atmet zu jeder Zeit. Auch wenn sich die Flöte gelegentlich in den Höhen schon mal etwas aufdringlich in den Vordergrund spielt, insgesamt zeichnet sich die Aufnahme durch eine angenehme Klang- und Klangfarbenbalance aus.
Zu hören sind ausschließlich Wer­ke von Johann Sebastian Bach, so die bekannte Es-Dur-Flötensonate, die Sonate h-Moll BWV 1030, für Organisten dann besonders interessant Adaptionen des Choraltrios „Herr Jesu Christ dich zu uns wend`“ BWV 655 sowie der Triosonate d-Moll für Orgel BWV 527.
Diese CD ist sicherlich nichts für Orgel-Freaks, denen der Tutti-Knopf das liebste „Register“ einer jeden Orgel ist. Diese CD ist vielmehr ein wunderbarer Ruhepol in einer inzwischen martialisch laut gewordenen Orgelwelt, gedacht für alle, die – auch als Organistinnen und Organisten – noch (immer) ein Ohr für das Leise, für die Schönheit einzelner Stimmen respektive Register haben.

Wolfgang Valerius