BACH and the South German Tradition

Vol. 2: Muffat, Pachelbel, Froberger, Kerll

Verlag/Label: SACD, audite 92.548 (2011)
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 50

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Johann Sebastian Bachs Offenheit für Einflüsse aus den verschiedens­ten Regionen Europas sind hinlänglich bekannt und vielfach untersucht worden. Auch wenn er sich – abgesehen von den Aufenthalten in Lüneburg, Hamburg und Lübeck – selbst nicht auf Studienreise begab (begeben konnte), so rezipierte er doch die Musik seiner Zeitgenossen und Vorgänger.
Martin Neu stellt hier den Werken der genannten süddeutschen Meister Bachs Toccata und Fuge in F (BWV 540), die Magnificatfuge (BWV 733) und die Triosonate in C (BWV 529) gegenüber. Bei diesen Werken mag man zwar den italienisch-süddeutschen Duktus he­raushören, allzu offenkundig oder gar spektakulär treten die Parallelen allerdings nicht zutage. Die Toccata in F könnte – nicht nur – aufgrund der beiden ausgedehnten Pedalsoli gleichfalls norddeutschen Einfluss belegen. Hier verschmelzen stilis­tisch unterschiedliche Elemente zu Bachs genuinem Personalstil. Immerhin könnte die erste von Pachelbels Magnificatfugen das Thema zur Kunst der Fuge geliefert haben. Wie man zu diesen Verwandtschaften auch stehen mag, unzweifelhaft sind hier qualitätsvolle Werke versammelt. Weitere Einflüsse und Querverweise versucht der Booklettext aufzuzeigen.
Martin Neu hat zwei unterschiedliche Instrumente ausgewählt: Froberger und Kerll erklingen auf der historischen Chororgel in Laufenburg (Schweiz), die übrigen Werke auf einem kraftvollen Instrument der schweizerischen Firma Metzler aus dem Jahre 2005. Zu den Magnificat-Fugen singt Wilfried Rombach alternatim die passenden Choralteile.
Neu spielt mit sicherem Zugriff, klarer Artikulation und festem Tempo. Stilsicherheit und technische Souveränität seines Spiel stehen außer Frage. Man mag jetzt alles Weitere in den Bereich des persönlichen Gusto verweisen. Der Rezensent gesteht allerdings, dass er in den grundsätzlich positiven Spielmerkmalen des Interpreten gleichzeitig das Problem der Aufnahme sieht. Während bei den eher kleingliedrigen süddeutschen Werken genügend Abwechslung durch Abschnitte unterschiedlicher Faktur und Registrierung entsteht, „leiden“ die Bach-Werke, namentlich die raumgreifende Toccata, doch an einem Überfluss an Ebenmaß, so dass der spontane Begeisterungsfunke im direkten Vergleich nicht so recht überspringen will. Zu schematisch sind die Sequenzbildungen gestaltet, zu wenig ist eine großräumige Phrasierung hörbar, ein Anspielen auf Höhepunkte deutlich. Hier kommen Verfechter eines kühler distanzierten Interpretationsstils auf ihre Kosten. Die Metzler-Orgel besitzt den für die Erbauerwerkstatt typisch barockisierend-kernigen Klang mit prominenten, strahlkräftigen Mixturen und klar artikulierten Ansprachegeräuschen und macht in diesem Kontext eine vorteilhafte Figur, wenngleich man hier freilich nicht unbedingt von einem typisch süddeutschen Idiom sprechen möchte.
Aufnahmetechnik und Booklet sind tadellos, man fragt sich am Rande nur, ob bei einer solchen Produktion ein englischer Titel von­nöten ist.

Axel Wilberg