Ave Maris Stella
Marianische Orgelmusik im Laufe des liturgischen Jahres
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Die Marienverehrung in der (römisch-)katholischen Kirche hat gewiss eine lange Tradition. Innerhalb der deutschen Orgelmusikliteratur begegnet das Sujet indes erst vergleichsweise spät. So stammen die auf dieser CD eingespielten Werke bis auf zwei Nummern auch allesamt aus dem 20. bzw. 21. Jahrhundert; in gewisser Weise auch ein Anachronismus, hat man hierzulande die im Volksglauben zuweilen recht bizarre Blüten treibende Marienverehrung gerade von Seiten der Amtskirche während der zurückliegenden Jahrzehnte auf ein aufgeklärt nüchternes Maß zurückgeschraubt.
Für jene eher kindlich-naive Marienverehrung steht auf dieser CD der Kölner Komponist Carl Sattler, der mit zwei Kompositionen (Fantasie op. 5 über Salve Regina und Variationen über Maria Maienkönigin op. 24) vertreten ist. Ist man bereit, über die häufig ziel- und planlos wirkenden Irrungen des Komponisten durch den Quintenzirkel hinwegzuhören, stolpert der aufmerksame Leser der Booklet-Kommentare aus der Feder von Sabine Kreter über die Formulierung: Noch heute kommen viele Organisten bei der Einstudierung seiner Werke ins Schwitzen. Haben wir es hier möglicherweise mit einer primär regional bedingten maßlosen Überschätzung dieses Komponisten zu tun, der allenfalls von lokaler, keineswegs aber von epochaler Bedeutung ist?
J. S. Bachs bekannte Magnificat-Bearbeitungen (über Meine Seele erhebet den Herrn) BWV 648 und 733 lassen sich dagegen sicherlich nicht sinnvoll unter dem programmatischen Titel Marianische Orgelmusik subsumieren, auch wenn das Luthertum eine eigene (biblische) Tradition der Marienverehrung durchaus kennt. Bachs Deutung zielt eindeutig auf die freudige Erwartung der bevorstehenden Ankunft Gottes, meines Heilands. Und doch mag die Musik Bachs auch Pate gestanden haben für die übrigen auf der CD vertretenen Komponisten Hermann Schroeder (Ave Regina Caelorum), Robert M. Helmschrott (Drei Choralvorspiele zu Marienliedern) und Thomas Meyer-Fiebig (Ave Maris Stella). Diesen Stücken mangelt es wie der Musik Bachs nämlich an jeder Anmutung von Weihrauchgeruch. Dies mag zwar dazu beitragen, die zuweilen recht schwülstig erscheinenden Texte zu entfetten, doch kommt man der volkstümlich inspirierten Marien-Thematik in der Orgelmusik allein mit formaler wie harmonischer Sachlichkeit schwerlich bei.
Am Spiel von Aya Yoshida ist technisch nichts auszusetzen. Ihre klar strukturierte Herangehensweise an die Musikstücke korrespondiert mit der weitgehend linearen Struktur der musikalischen Faktur. Romantisierendes, gar ausschweifendes Schwelgen im Orgelklang ist ihr ebenso fremd wie leidenschaftsvoll zur Schau getragenes Pathos. Die mit ihren 24 Registern nicht gerade überdimensionierte Klais-Orgel (1989 auf mechanische Schleifladen umgebaut) kommt diesem auf musikalisch-gestalterische Akkuratesse bedachten Interpretationsansatz mit dem auf optimale Transparenz ausgerichteten Klangprofil entgegen. Für Sattler und auch Antalffy-Zsiross (Madonna) hätte man sich indessen ein expressiveres und vor allem grundstimmengesättigtes Instrument gewünscht.
Wolfgang Valerius