Kuhnau, Johann

Ausgewählte Orgelwerke

Urtext, hg. von Felix Friedrich

Verlag/Label: Schott Music, ED 21144
erschienen in: organ 2013/02 , Seite 59

Johann Kuhnau (1660-1722), Stipendiat der berühmten Kreuzschule in Dresden, genoss schon zu Lebzeiten als unmittelbarer Vorgänger Bachs im Leipziger Thomaskantorat und als Universitätsmusikdirektor hohes Ansehen und wurde als Musiker wie als Universalgelehrter (Philosoph und Jurist) geschätzt. Johann Christoph Adelung rühmt ihn mit den Worten: „Ich weiss nicht, ob er dem Orden der Tonkünstler oder den anderen Gelehrten mehr Ehre gebracht. Er war gelehrt in der Gottesgelahrtheit, in den Rechten, Beredsamkeit, Dichtkunst, Mathematik, fremden Sprachen und Musik.“ Insofern verkörperte Kuhnau auf eine vollkommene Weise den seit dem 16. Jahrhundert üblichen lutherischen Typus des akademisch durchgebildeten „Cantors und Organisten“.
Mit seinen Biblischen Sonaten („Mu­sicalische Vorstellung einiger biblischer Historien“) trug Kuhnau wesentlich zur Entwicklung der hochbarocken Programmmusik für Tas­teninstrumente bei. Ungeachtet der gewiss zukunftsweisenden Konzeption mancher Stücke bewegt sich die kompositorische Leistung Kuhnaus insgesamt betrachtet doch in recht konventionellen Bahnen. Man nahm sich zu damaligen Zeiten offenbar mehr Zeit und Muße für die „schönen“ Dinge – wie sonst ließe sich erklären, dass wir heute doch recht bald gewisse Längen beim Spielen bzw. Anhören von Kuhnaus Kompositionen empfinden. Nichtsdestoweniger entfalten seine Clavier-Stücke (für Cembalo oder Orgel ad lib.) bei entsprechend verständiger, inspirierter Interpretation ihren eigenen Reiz.
Die vorliegende Ausgabe enthält neben der ersten Biblischen Sonate, die den Streit zwischen David und Goliath illustriert, die Präludien und Fugen in G-Dur und B-Dur, eine Fuge in g-Moll, eine Sonata in B-Dur und die Toccata in A-Dur. Damit bietet der Band zwar nichts grundsätzlich Neues, da diese Werke bereits in älteren Ausgaben greifbar waren. Neu ist allerdings die editorische Sorgfalt einer Urtextausgabe, die auf Zusätze des Herausgebers – und willkürliche Zuweisungen einer „Pedalstimme“ – glücklicherweise verzichtet. Das Druckbild ist klar und großzügig gestaltet, güns­tige Wendestellen sind ebenso berücksichtigt. Damit ist das wohlfeile Heft allen „Einsteigern“ in Sachen Johann Kuhnau wärmstens zu empfehlen.

Axel Wilberg