Hakim, Naji

Arabesques für Orgel

Verlag/Label: Schott Music, ED 21155 (2011)
erschienen in: organ 2011/04 , Seite 56

Naji Hakim schrieb seine Arabesques für Orgel als ungebrochene Stilkopie des französischen Impressionismus. Bei dem diesjährigen Pflichtstück zum Internationalen Musikwettbewerb der ARD 2011 handelt es sich – wie von Hakim gewohnt! – zweifellos um sehr effektvolle Musik, die gestalterisch entsprechend gut umzusetzen ist. Der französische Komponist libanesischer Herkunft – Meisterschüler von Jean Langlais – gibt im Vorwort einen Einblick in die Inten­tion seiner Musik: „Gesang und der Tanz stehen im Mittelpunkt dieser Orgelsuite. Sie lebt von wechselseitigen Einflüssen aus Jazz und mediterraner Volksmusik. Die sechs Sätze – Prélude, Pastorale, Libanaise, Arabesque, Litanie, Rondeau – unterscheiden sich durch ihre melodischen Linien, kirchentonale Harmonik und unregelmäßige Metrik und sind in ihrem Ausdruck vom Affekt der Freude inspiriert.“ Außer­dem zitiert Hakim François Hertel: „Es ist gut zu schreiben: Man schaut zu, wie die Hand dahinsaust und eigenartige Schnörkel niederschreibt; und dem Ausdruck der dahinflie­ßenden Tinte und der notierten Zeichen geht der Gedanke voraus oder er begleitet sie …“ Insofern scheint die Musik aus Hakims talentierter „improvisatorischer“ Hand direkt in die Noten eingeflossen zu sein. Hakim formuliert hochemotionale Musik, die ihn nicht zuerst als diskursiv reflektierenden Komponis­ten, sondern als „Improvisator“ ausweist.
Dass die Stücke im Internationalen Musikwettbewerb der ARD als Auftragskompositionen an der Seite von stilistisch radikalen, komplexen Werken von Bach, Franck und Reger standen, mag vielleicht erstaunen, doch bieten sie damit zugleich auch eine effektvoll-kontrastierende Alternative zum gängigen Wettbewerbsrepertoire, die die Grenzen zwischen „seriösem“ und „leichtem“ Repertoire für die Orgel bewusst aufzubrechen sucht. Es handelt sich um zweifellos „schöne“ Musik, im Sinne des Gefälligen, die allerdings eher mit den französischen Spätromantikern Vierne und Tournemire Verwandtschaft zeigt, als den von Messiaen vorgeprägten Weg zeitgenössischer französischer Orgelmusik einzuschlagen. Ein or­dent­liches Notenbild und ein guter Satz zeigen Qualität, die hier eher in mitreißend-spontaner Musikalität liegt denn in kritischer, gar akademischer Geschichtsbetrachtung.
Dominik Susteck