Liszt, Franz
Après une lecture de Dante
Fantasia quasi Sonata für Orgel, bearbeitet von Helmut Deutsch
Kaum ein anderes Werk aus dem großen Lisztschen uvre für Klavier solo repräsentiert die atemberaubende Pianistik und von Liszt bahnbrechend weiterentwickelte Virtuosität in so eindeutiger Greifbarkeit wie die Dante-Sonate aus dem Deuxième Année der drei Années de Pelerinage. Entstanden während seiner Italienreise 1837-39 spielte Liszt dieses Husarenstück infernalischer Klangwirkungen das erste Mal 1839 in Wien und arbeitete es 1849 in seinen Weimarer Jahren gründlich um; erst im Jahr 1858, nach einem ausgiebigen Prozess der Reifung und besonders subtiler Vortragsbezeichnung in den Druckvorbereitungen, erschien die Originalausgabe bei Schott in Mainz ein Ruhmesblatt editorischer Klavierliteraturgeschichte.
Liszt selbst war ein unermüdlicher Bearbeiter eigener Werke, besonders der Sinfonik, für sein Lieblingsinstrument, das Klavier, und im Zusammenwirken mit orgelspielenden Schülern entstand manche Bearbeitung für Orgel. Die vorliegende Bearbeitung kann pünktlich zum Liszt-Jahr 2011 erschienen eine staunenswerte Bereicherung des virtuosen und besonders des von exaltierter Pianistik geprägten Repertoires sein. Dennoch muss man sich damit anfreunden, dass gerade der hier genial ausgespielte perkussive Klangeffekt auf der Orgel weitgehend eingebüßt wird und brillante Oktavläufe und heftige Akkordrepetitionen über alle Lagen des Klaviers auf der Orgel nicht darzustellen sind. Das physische Empfinden der Grenzen des Spielbaren gehört hier unbedingt zur Wirkung des Stücks, und man sieht den Pianisten förmlich sechshändig am Klavier toben. Der zwangsläufige Verlust an Virtuosität und pianistischer Flexibilität bei der Orgelfassung des ausgewiesenen Pianisten und Konzertorganisten Helmut Deutsch wird schon allein an der etwa um die Hälfte längeren Aufführungsdauer erkennbar. Zudem fallen bei der Bearbeitung zahlreiche dynamische Angaben sowie viele Akzente und Ausdrucksbezeichnungen weg. Selbst wenn man nicht jede feine Dynamik auf der Orgel so mitvollziehen kann, hätte möglicherweise eine detailliertere Bezeichnung wie etwa auch bei Reger anzutreffen mindestens die intentionale Dynamik unterstrichen und das agogische Spiel erleichtert. Manch revolutionäre Pedalpassage würde sich wohl besser mit der linken Hand realisieren lassen. Trotz guter klanglicher Anpassungen und spieltechnischer Neuansätze bis hin zur Vereinfachung des originalen Textes muss man sich als Interpret dieser Orgelversion auf jeden Fall parallel mit einer sorgfältigen Klavier-Edition befassen, um dem visionären Geist Liszts spielerisch auf die Spur zu kommen. Während bei Liszt der Schluss im ff-Akkordtremolo in massiv klingender tiefer Lage, der höchste Ton d, erschütternd in den Orkus eintaucht, erstrahlt am Schluss der Orgelfassung ein D-Dur mit Klangabschluss fis. Der emotionale Ausdruck erscheint hier sehr uminterpretiert. Ein anregender Wurf im Ganzen, der vielleicht, wie bei Liszts zweiter BACH-Orgelfassung, eine wohldiskutierte Revision nach sich ziehen wird.
Ralf Bibiella