Moult, Daniel

An Easy Bach Organ Album

Original Works and Arrangements

Verlag/Label: Bärenreiter BA 11212
erschienen in: organ 2013/04 , Seite 61

Mittlerweile türmen sich ganze Berge von Ausgaben, die einen „leichten Einstieg“ in die Welt der Bach’­schen Musik versprechen. Mit Titeln wie Bach für Anfänger oder Der leichte Bach wird musikalischer Genuss mit/bei Musik von J. S. Bach bei gleichzeitig geringstem Übeaufwand angepriesen. Dies mag professionelle InterpretInnen in Erstaunen versetzen, erweisen sich doch selbst „kleinste“ Bach’sche Opuscula bei näherer Betrachtung alles andere als unproblematisch oder gar simpel.
Nun hat es auch den altehrwürdigen Bärenreiter-Verlag mit seinem Orgel-Album An Easy Bach erwischt: eine Zusammenstellung verschiedener Originalkompositionen wie auch Bearbeitungen, die gemäß Herausgebervorwort „Freude bereiten soll, ohne dabei zu hohe Anforderungen an die technischen Fähigkeiten zu stellen“. Zudem seien einige Werke auch für den Gottesdienst (sic!) nützlich.
In dem zweisprachigen Vorwort (D/E) des 1971 geborenen britischen Konzertorganisten Daniel Moult wird der wenig versierte Benutzer weiterhin eingeführt in elementare Aspekte der Interpretation. So liest man eher mit Achselzucken unter der Rubrik „Artikulation“: „In der Musik der Bach-Zeit streben wir [wer denn genau?] in erster Linie einen gesanglichen, aber stets artikulierten [als ob Sängerinnen üblicherweise nicht artikulierten …] Verlauf an. […] Eine gute Artikulation erweckt die Musik der Bach-Zeit zum Leben.“ Wie wahr!
Wie ein an der Musik J. S. Bachs interessierter „Neuling“ nach derart diffus und allgemein gehaltenen Vorhalten ganz konkret ans interpretatorische Werk gehen soll, erschließt sich nicht. Begründet wird das allgemein-ästhetische Postulat nach „cantabler“ Spielart speziell für Bach freilich nicht (als müsste man bei César Franck in der Romantik etwa eine weniger kantable Spielweise pflegen). Ebenso wenig erfährt der Benutzer, was eine „gute“ Artikulation praktisch ausmacht – was wäre überhaupt eine schlechte?
Zu diesen fragwürdigen Erkenntnissen von zweifelhaftem Nährwert für den Spieler gesellen sich weitere verunglückte Passagen, die zuweilen gar groteske Züge annehmen. So teilt Moult zum Thema „Re­-gis­trierung“ mit, es sei folgender Punkt zu berücksichtigen: „Wärme (der Klang sollte nicht zu spröde sein)“. Was ist denn „zu“ spröde, oder überhaupt „spröde“ – zumindest keine objektivierbare Kategorie. Und was macht im Unterschied zu anderen, späteren Epochen speziell im Barock einen „warmen“ Orgelklang aus?
Unter dem Stichwort „Tempi“ wird der Spieler darüber informiert, dass diese abhängig sind von „der Größe des Gebäudes, in dem mu­siziert wird, der Klangentwicklung und auch dem persönlichen Geschmack [sic!]“. Donnerwetter, welch tiefsinnige und vor allem praxisnahe Erkenntnis! Leider fehlen die für die Barockzeit maßgeblichen Kategorien wie „Gattungen“ und ihre jeweilis charakteristischen Tempi (vor­ab bei Tanzsätzen) oder die enge Verbindung von Tempo und Affekt.
Geworben wird im Titel der Edition zudem mit „Bach“. Wo Bach draufsteht, sollte auch „Bach“ drin sein – sollte man meinen. Allein: Gleich die ersten Werke entstammen sehr wahrscheinlich der Feder des Bach-Schülers Johann Ludwig Krebs (die sogenannten Acht Kleinen Präludien und Fugen). Und ausgerechnet die für Bach so zentrale kontrapunktische Hauptform der Fuge sucht man in diesem Album vergebens! Die Liste auffälliger Absonderlichkeiten ließe sich verlängern. So fehlt z. B. der Hinweis bei dem Choralvorspiel Nun freut euch lieben Christen g’mein auf die von Bach hier verwendete (fremde) Lehnmelodie Es ist gewißlich an der Zeit. Fazit: Diese Ausgabe ist trotz des gut und lesefreundlich gestalteten Notentextes weitestgehend überflüssig.

Volker Ellenberger