Charles-Marie Widor
Allegro cantabile aus der Orgel-Sinfonie Nr. 5 f-Moll op. 42 Nr. 1
Bearbeitung für Flöte und Orgel von Heinz-Peter Kortmann
Der zweite Satz aus Charles-Marie Widors wohl meistgespielter Orgelsinfonie besticht durch seine so wundervoll elegisch dahinfließende, leicht melancholische Melodie. Deshalb ist es eine vorzügliche Idee von Heinz-Peter Kortmann, dieser Komposition mit einer Bearbeitung eine weitere interessante Aufführungsvariante zu erschließen. Das tat übrigens bereits Widor selbst, als er 1904, genau 25 Jahre nach dem Entstehen dieser Fünften Orgelsinfonie, von jenem Satz eine etwas veränderte Klavierversion mit dem Titel Conte dAutomne publizierte.
Kortmann hält sich bei seiner Ausgabe im Notentext korrekt an Widors Vorlage unter Beibehaltung der originalen Tonart, indem er den Notentext, die Registrierangaben, die Artikulationszeichen, die Metronomzahlen und die dynamischen Bezeichnungen ohne Veränderungen übernimmt. Lediglich die Solokantilene übertrug er größtenteils der Flöte und beließ sie nur partiell bei der Orgel, um damit sehr wirkungsvolle Dialoge mit dem Soloinstrument zu ermöglichen, wobei die Flötenstimme zum Teil um eine Oktave nach oben transponiert wurde. Dadurch entflocht er außerdem den teilweise von Widor auf vier Systemen notierten, etwas widerspenstigen Orgelsatz und erreichte damit gleichzeitig eine wesentlich komfortablere Spielbarkeit des Orgelparts.
Für den Mittelteil in Des-Dur bietet Kortmann ad libitum eine zusätzliche Wiederholung an. Außerdem fügte er in die Reprise des A-Teils eine im Original nicht vorhandene Wiederholung der Takte 31 bis 126 ein, jedoch gekennzeichnet mit dem Vi-de Vorschlag zur eventuellen Kürzung dieser Passage. Mit diesem Einschub erhält das gesamte Stück eine recht respektable Länge von knapp 400 Takten.
Die Entscheidung des Herausgebers, die solistisch geführte Melodie dieses Satzes der Querflöte zu übertragen, obwohl sie Widor dem Orgelregister Hautbois anvertraute, mag sich im ersten Moment als fragwürdig erweisen, doch bei genauerer Betrachtung als sehr gelungen, da sich das spezifische Klangspektrum der Flöte einerseits sehr gut in die von Widor verlangte Konzeption der Flûtes einfügt und andererseits bei der im Mittelteil ebenfalls vom Komponisten geforderten Registrierung mit der schwebenden Voix céleste recht aparte Kontraste setzt.
Ein sehr knapp gefasstes Vorwort mit Angaben zur Entstehung der Orgelsinfonie und der Konzeption dieses Satzes komplettiert diese ansprechend-übersichtliche Edition im Kölner Verlag Dohr.
Felix Friedrich