Affetti e tastiature

La scuola organaria napole­tana a Molfetta tra il XVII ed il XIX secolo

Verlag/Label: digressione music DCTT62 (2016)
erschienen in: organ 2016/03 , Seite 54

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Die vorliegende Einspielung porträtiert als Klangdokumentation den Bestand restaurierter historischer Orgeln in der Stadt Molfetta in der Provinz Bari in Italien. Im (englischen) Begleittext zur CD informiert eine allgemein gehaltene his­torische Abhandlung zur Geschichte der Kirchen und Orgeln dieser bedeutenden alten Bischofsstadt. Wie so häufig in Italien sind demnach auch hier viele Instrumente aus dem 16. bis 19. Jahrhundert im Laufe der Zeit gar nicht oder nur oberflächlich gepflegt worden, so dass sich noch bis vor einigen Jahren die meisten Instrumente in desolatem oder gar unspielbarem Zustand befanden. Mit Unterstützung staatlicher und privater Sponsoren konnte jedoch eine Reihe von Orgeln wieder mustergültig hergestellt werden.
Leider geht der (anonyme) Verfasser des Begleittextes nicht näher auf die „neapolitanische Orgelbauschule“ ein, was hier von speziellem Interesse gewesen wäre. Grundsätzlich besitzen alle fünf aufgenommenen Orgeln die typische, gewissermaßen „standardisierte“ Grunddisposition der meisten italienischen Instrumente ab dem späten 17. Jahrhundert: Principale (Achtfuß), Ottava (Vierfuß), Ripieno (die sich kontinuierlich verjüngende und einzeln registrierbare Pyramide der Chöre einer „herkömmlichen Mixtur“, hier Quintadecima, Decimanona, Vigesimaseconda, Vigesimanona etc. benannt), Flauto (Vierfuß) und Voce Umana (Schwebestimme zum Principale). Eine der Orgeln weist auch einen Contrabasso 16’ auf. Ebenso unverzichtbar ist die (einzige) Spielhilfe, das so genannte Tiratutti, mit dem zumindest die Register des Ripieno gleichzeitig gezogen werden können.
Im Begleittext heißt es weiter, dass „der Hörer mit dem besonderen Klang der neapolitanischen Orgel vertraut gemacht werden [solle], anhand von Musik venezianischer, römischer und neapolitanischer Meis­ter der Zeit“. Die beiden Organisten Francesco di Lernia und Gaetano Magarelli widmen sich dieser Aufgabe mit ausgewählten Werken von Andrea Gabrieli, Girolamo Frescobaldi, Bernardo Pasquini, Domenico Scarlatti, Domenico Zipoli, Ascanio Mayone, Gregorio Strozzi, Baldassare Galuppi und Gaetano Valeri. So ergibt sich eine gewisse Dramaturgie von den älteren, eher strengen Orgelwerken zu den späteren, ausgesprochen galant angelegten Stücken.
Die Orgeln klingen insgesamt – auch aufgrund belebender ungleichschwebender Stimmungen – unmittelbar-frisch und in ihren Grundstimmen weich und zart. Natürlich sind die Klangbilder aufgrund der recht einheitlichen Dispositionen aufs Ganze gesehen relativ gleichartig, so dass sich beim Hören der CD ein gewisser Abstumpfungseffekt ein­stellen mag. Die Aufnahmen selbst sind sehr räumlich und natürlich gelungen, beide Organisten mu­sizieren versiert und hörbar auf vertrautem Terrain, insofern wohl mit „Herzblut“.

Christian Brembeck