Hummel, Bertold

Ad missam für 2 Orgeln (1993), op. 97 f.

Verlag/Label: Schott Music, ED 21268
erschienen in: organ 2012/03 , Seite 62

Die Orgel-Komposition Ad missam für zwei Spieler entstand als Auftragswerk der Salzburger Dommusik und wurde im Februar 1994 im Salzburger Dom durch die Orga­nis­ten Johannes Strobl und Armin Kircher uraufgeführt. Der Würzburger Komponist Bertold Hummel (1925-2002) ließ sich hier von den beiden östlichen Vierungsorgeln der Metropolitankirche inspirieren, die 1991 von dem Tiroler Orgelbaumeister Johann Pirchner nach barockem Vorbild der Vorgängerinstrumente erbaut wurden. Ein Blick auf die Dispositionen – ihre Wiedergabe in der Notenausgabe wäre eine nützliche Ergänzung gewesen – vermittelt gewisse aufführungspraktische Hinweise: So verfügen die Evangelien- und Epistelorgel über jeweils 14 Register, verteilt auf Hauptwerk, Nebenwerk und Pedal.
Bei der Durchsicht der dynamischen Angaben (von pp bis ff) wird deutlich, dass für Hummel die klangliche Balance beider Orgeln bedeutsam war. Im Notentext fordert er zudem „Manualwechsel oder -teilung“ sowie obligates Pedal. Aufgrund der in sich verklammerten und oftmals alternierenden Satzstruktur sollte eine gewisse räum­liche Nähe der Spieler zueinander gewährleistet sein, die ihrerseits eine transparente Durchhörbarkeit zulässt. Vor allem das motorisch bewegte toccatische Finale „Ite missa est“, mit parallelen Achtelbewegungen und häufigen Wechseln ungerader Takte, ist andernfalls kaum synchron zu bewältigen. Zweifellos bringen es die genannten Anforderungen an Raum und Instrumente mit sich, das adäquate Aufführungsorte eher rar sind. Hummel war sich dieser Problematik wohl selbst bewusst, findet sich in seinem Nachlass doch eine weitere Version für Blechbläserensemble und Pauken.
Das gut 15-minütige Werk weist einen spieltechnisch mittleren Schwierigkeitsgrad auf. Bis auf das das abschließende „Ite missa est“ (nach der Missa de angelis) sind die einzelnen Sätze als Orgelproprium zur Messe konzipiert. Vertont wurden hiervon vier Einzelsätze: Intro­i­tus, Halleluja, Offertorium und Communio. Die beiden letztgenannten Stücke sind meditative Choralmetamorphosen über die Kirchenlieder Was uns die Erde Gutes spendet und O Jesu, all mein Leben bist Du. Leise Vorschlagsfiguren bzw. Triller, der als archaisches Quintorganum zitierte Cantus firmus, kurze siciliano-artige Episoden und Fächerfiguren werden hier aneinandergereiht und teils ineinander verschränkt. Die Verwendung solcher plastisch hervortretender musikalischer Patterns kreiert eine unmittelbar fassliche Form. Heterogene Texturen, die etwa aus mittelalterlich organalen Klängen, Ostinati, Choralkolorit und atonalen Melodieverläufen gebildet werden, synthetisiert Hummel organisch.
Auffallend und interessant ist das Fehlen von den in vielen ähnlichen Werken des 20. Jahrhunderts anzutreffenden typischen Ganztonfeldern, Cluster-Akkorden und dodekaphoner Elemente. Vor diesem Hintergrund dokumentiert Ad mis­sam Facetten der soliden kompositorischen „Handwerkskunst“ Hummels. Die seitens des Verlags ansprechend gestaltete Edition vermag das ohnehin recht schmale Repertoire für zwei Orgeln sinnreich zu erweitern.

Jürgen Geiger