A Festival of English Organ Music, Volume 1
Werke von Hollins, Thalben-Ball, Villiers Stanford, Whitlock, Best, Lemare, Elgar
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Orgelmusik aus England? Aber ja!, so die Internet-Anpreisung von A Festival of English Organ Music. Aber: Ben van Oosten und englische Orgelmusik passt das? Bislang zumindest brachte man den Namen des international renommierten Künstlers aus den Niederlanden fast ausschließlich mit der Orgelkultur Frankreichs und seiner direkten musikalischen Nachbarn in Verbindung. Van Oostens ausladende Widor-Biografie und zahllose Einspielungen des symphonischen Repertoires an authentischen Instrumenten der Grande Nation haben da zweifelsohne hohe Maßstäbe gesetzt.
Doch da sich schon seit einiger Zeit der organistische Fokus über den Kanal gen Britannien richtet, scheint es nun auch für deutsche Orgel-CD-Labels höchste Zeit, mit namhaften Organisten und Mikrofonen im Gepäck ein Land zu erobern, das den meisten von uns bislang nur in einer pauschalisierenden Begrifflichkeit vertraut zu sein scheint. Gerne wird da vorschnell der Begriff viktorianisch als Synonym für repräsentative wie gefällig-wohlklingende Musik verwandt, selbst wenn die gemeinten Werke erst Jahrzehnte nach dem Ende dieser von 1837 bis 1901 währenden Ära entstanden sind. Das retrospektive Verharren in vermeintlich goldenen Zeitepochen hat im Vereinigten Königreich Tradition und ist für einen Kontinentaleuropäer oft nur schwerlich auszumachen.
Doch genug der Mäkeleien! Van Oosten präsentiert uns hier in seiner bewährt brillanten Spielkultur einen geschickt gewählten Querschnitt britischer Orgelmusik, der dem anglophilen Orgelliebhaber zwar nichts Neues zu Gehör bringt, dem Neuling aber mit überaus gefälliger und gut hörbarer, ja geradezu süffiger Musik einen idealen Einstieg in
eine faszinierende Klangwelt bieten kann. Überhaupt ist der Großteil der insularen Schöpfungen charakterisiert durch melodischen Erfindungsreichtum, orchestral-klangsinnliches Gespür und eine auf Erhabenheit zielende Wirkung. Allen Stücken gemein ist darüber hinaus, dass sie nicht das Resultat kompositorischer Kopfgeburten, sondern aus der konkreten Erfahrung mit dem Instrument und seinen Möglichkeiten entstanden sind.
Hier bleibt der Interpret der Musik denn auch nichts schuldig, weiß besonders mit faszinierenden Klangfarben(mischungen) und schwelgerischem Gestus den Hörer für seine Darbietungen zu gewinnen. Hollins Concert Ouverture geht er kraftvoll zupackend, mit fast schon stürmischem Verve an. In Elgars großartiger G-Dur-Sonate und Stanfords Fantasia and Toccata, zwei Klassikern schlechthin, beeindruckt van Oosten durch kultivierte Virtuosität und sicheres Formgefühl. Thalben-Balls inzwischen überaus populäre Elegy und Elgars Nimrod-Variation spielt er ohne überzogen schwelgerisches Sentiment, dafür aber mit architektonisch ganz auf große räumliche Wirkung zielendem Stilgefühl. Neben Whitlocks leichtfüßig-grazil musiziertem Divertimento fällt einzig Lemares Rondo Capriccio A Study in Accents etwas ab, da gerade die Akzentuierung zu akademisch steif geraten scheint.
Was aber wäre eine solche CD ohne das entsprechende Instrument? Mit der von Father Henry Willis 1876/77 erbauten Orgel der Salisbury Cathedral steht van Oosten ein wahrhaft erlesenes, ja traumhaft sonores Instrument zur Verfügung, dessen im Querhaus ebenerdig positionierter Double Open Diapason 32 mit seinen beeindruckend rollenden Bässen nachgerade legendär ist. Aber auch das vielfach zum Einsatz kommende Corno-di-Bassetto, seit 1934 in Clarionet umbenannt, ist eine typische Willis-Spezialität und sucht seinesgleichen.
Erwähnt sei schließlich, dass die Aufnahme ein überaus authentisches Klangbild der Orgelanlage im Raum wiedergibt.
Wolfgang Valerius