A Festival of English Organ Music – Vol. 2

Werke v. Edward Elgar, Henry Smart, Alfred Hollins, Hubert Parry, Samuel S. Wesley, Frank Bridge, Herbert Howells

Verlag/Label: MDG 316 1907-2 (2015)
erschienen in: organ 2015/04 , Seite 55

4 von 5 Pfeifen

Wer die zahllosen hochkarätigen Einspielungen der auf Kathedralmusik spezialisierten Labels des United Kingdom (noch) nicht kennt, sondern sich erst einmal in die einzigartige insulare Orgelklangwelt hörend vortasten möchte, der ist mit der vorliegenden CD des Labels Dabringhaus und Grimm nicht schlecht bedient. Wie in Folge 1 hat Ben van Oosten eine Reihe weiterer Standards aus dem Fundus der britischen Orgelromantik bzw. Nachromantik zusammengetragen, abermals eingespielt an der Kathedralorgel von Salisbury.
Gut 150 Jahre Musik umspannt der Bogen, den van Oosten hier schlägt. Dabei zeigt er wiederum, wie janusköpfig sich die britische Orgelmusik seit dem 19. Jahrhundert zeigt: hier das klassische Formvokabular mit Choralvariationen (Henry Smart) oder Fantasie und Fuge (Hubert Parry), da tänzerisch beschwingte Märsche (Edward Elgar) oder ein quirlig ko­kettes Capriccio (John Ireland) aus dem säkularen Umfeld. Dass beides ohne Berührungsängste gleichberechtigt nebeneinander bestehen kann, zeigt eines sehr deutlich: Anders etwa als hierzulande unterscheidet man in Großbritannien nicht zwischen E und U, auch nicht unbedingt zwischen geistlicher und weltlicher Musik. Es gibt eigentlich nur gute und schlechte Musik, und jede gute hat auch ihre Daseinsberechtigung auf der Orgel, die, zugegeben, im Vereinigten Königreich eben spätestens seit der viktorianischen Ära kein reines Sakralinstrument mehr war.
Technisch bewegt sich van Oos­ten wie stets auf makellosem Niveau. Die Interpretationen sind schlüssig, die Musik fließt allzeit geschmeidig dahin, erliegt nie der Gefahr, aus dem Ruder zu laufen. Dennoch klingt manches akademisch-abgeklärt, zu sehr auf den „Urtext“ respektive „Werktreue“ bedacht. Hier ein wenig mehr an Sentiment bei harmonisch wie melodischen aparten Stellen, da etwas freizügiger in der agogischen Gestaltung – und die Musik würde jenes Quäntchen Freigeist atmen, der uns noch heute in einer ganzen Armada liebenswert-schrulliger Insel-Charaktere entgegentritt. Dessen ungeachtet findet sich van Oosten in der klanglichen Gestaltung, d. h. mit seinen Regis­trierungen, heimisch im insularen Kontext: Ganz und gar authentisch ist hier der typisch britische Orgelklang, zumal der opulente Sound der großdimensionierten angelsächsischen Kathedralorgel. Samtweich grundierende Bässe, edel-füllige Flöten, sonore Diapasons, kernige Strei­cher, dazu die einzigartigen Trumpets (samt Tuba), nicht zu vergessen die betörende, schmeichelnd-schöne Cla­rinet 8’ – all das birgt erhebliches Suchtpotenzial! Da ist nichts Brachiales, nichts Schrilles; der Klang ist rundum gehaltvoll, durchaus kraftbetont, körperlich berührend, jedoch nie unangenehm. Nur das Erleben des Originals vor Ort ist wohl noch schöner!
Insgesamt eine gelungene CD, bei der Instrument, Interpret und Werkauswahl überzeugen. Dank des dramaturgisch durchdachten Programmaufbaus lässt sich hier von einem exzellenten musikalischen Unterhaltungswert nach bester englischer Tradition sprechen – eine Aufnahme, die man gerne öfter entspannt hören wird.

Wolfgang Valerius