Lücker, Martin
9/11 in memoriam / Romantische Welten / Große Orgelmusik
3 CDs
Bewertung: 4 Pfeifen
Gleich vorweg: Die spannendste CD dieser querstand-Trilogie mit dem Frankfurter Katharinenorganisten ist wohl die erste, 9/11 in memoriam, die sich dem Thema der Terroranschläge in den USA am 11. September vor zehn Jahren widmet. Maurice Duruflés elegisch-düsteres Prélude aus der Suite op. 5 liefert einen passenden Einstieg in diese Thematik. Die zeitgenössischen Textvertonungen von Maximilian Schnaus (sehr plastisch und hochemotional) über Texte aus den Klageliedern des Propheten Jeremia und die etwas experimentellere Musik Frank Gerhardts über Passagen aus dem Buch Exodus bilden einen spannungsreichen Kontrast zu Bearbeitungen aus Bachs Leipziger Chorälen und dem durch seinen jähen Abbruch wie ein physischer Schock wirkenden unvollendeten, letzten Contrapunctus (Quadrupelfuge) aus der Kunst der Fuge von Johann Sebastian Bach. Ebenso sinnfällig das Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen von Liszt, das mit seinem abschließenden, Hoffnung verheißenden Choral Was Gott tut, das ist wohlgetan den Hörer nicht in Trauer und Schmerz zurücklässt.
Romantische Welten beginnt mit den nicht zu unterschätzenden Tonstücken von Nils Gade, denen man die schumanneske Nähe zur deutschen Tradition durchaus anmerkt, gefolgt von den reifen Trois Pièces von César Franck, interpretiert mit stringentem Impetus. Eine Repertoire-Rarität bietet auch die Sonate von Josef Labor, einem Lehrer Schönbergs, der zwar konventionell bis konservativ und im alten Formenkanon komponiert, dies aber stets absolut gekonnt! Lückers Interpretation von Regers großer Wachet auf-Fantasie lässt sich treffend kaum anders als furios bezeichnen.
Große Orgelmusik schließlich stellt das organistische Spätwerk der Trois Chorals (1890) von Franck der ersten Sonate von Paul Hindemith und der c-moll-Passacaglia (mit Fuge) von Johann Sebastian Bach gegenüber. Lücker hält sich nicht immer streng an die Registrationsangaben der Édition originale, was freilich nur Puristen erschrecken mag (schließlich spielt er auch keine Cavaillé-Coll-Orgel, sondern ein respektables dreimanualiges Instrument der Firma Rieger). Bachs monumentales Variationenwerk interpretiert er mit mannigfaltigen Registerwechseln und pädagogischer Hervorhebung einzelner Stimmverläufe. Ob der in der Mitte stehende, sicher originell und gekonnt gemachte, manchmal vielleicht auch etwas spröde Hindemith zwischen den beiden Orgelgiganten nicht ein wenig erdrückt wird, man am Ende jeder Hörer für sich entscheiden
Die Booklet-Texte der CDs sind kurz, aber informativ, das Klangbild ist sehr transparent und luzide. Die Rieger-Orgel bietet trotz der vielen unterschiedlichen stilistischen Anforderungen, die das Programm an sie stellt , ohne den etwas problematischen Begriff der Universalorgel bemühen zu wollen, selbst in der resonanzarmen Akustik des nicht übermäßig großen Kirchenraums ein rundes, überzeugendes Bild.
Christian von Blohn