„Die Sonn’ hat sich mit ihrem Glanz gewendet …”

Werke von J. S. Bach, Franz Liszt, Richard Wagner und Karl Höller

Verlag/Label: IFO 00 135 (2010)
erschienen in: organ 2010/01 , Seite 62

Bewertung: 4 Pfeifen

Die in diesem Heft ausführlich ab Seite 16 porträtierte Hauptorgel (53/III+P) der Dillinger Basilika
St. Peter aus der gleichfalls in Dillingen an der Donau beheimateten Werkstatt Hubert Sandtner erfährt mit der vorliegenden CD-Ersteinspielung durch den amtierenden jungen Basilikaorganisten Axel Flierl ein in jeder Beziehung erfrischend-authentisches sowie großvolumiges Klangporträt. Der Münchner Organistenschmiede Edgar Krapps ent­stammend, hat der 1976 in Nürnberg geborene Dillinger Titulaire sich seine vielfältigen musikalischen Sporen auch in Frankreich verdient, wo er sich u. a. das Gesamtwerk für Orgel von Maurice Duruflé an dessen einstiger Wirkungsstätte mit dessen beiden amtierenden Amtsnachfolgern erarbeitete. Vor allem  konnte Flierl sich allerdings bereits verdienstvoll als Biograf des in der Organistenzunft – leider! – sträflich vernachlässigten Komponisten und ehemaligen Münchner Musikhochschulchefs Karl Höller (1907-87) profilieren.
Höller ist es denn auch, der mit der 1963 entstandenen Choral-Passaca­glia über „Die Sonn’ hat sich mit ih­rem Glanz gewendet“ op. 61 (1963) gewissermaßen das Zentralwerk für die vorliegende CD-Einspielung liefert. Der Gattungstitel ist in sich ungewöhnlich und spiegelt die formale Erweiterung um eine im Zent­rum der Komposition stehende Pas­sacaglia wider; dennoch erscheint das Werk gleichsam „durchkomponiert“. Spielfreude und die für Höller typische, abgeklärt-herbe Tonsymbolsprache in Verbindung mit einer bisweilen auf suggestive Weise transzendente Dimensionen be­schwö­renden Alterationsharmonik (z. B. in der letzten Choralstrophe „Und lass hernach mit allen Frommen / Mich zu dem Glanz des andern Lebens kommen“) kennzeichnen diese vorzügliche Komposition eines reifen, ganz und gar zu sich selbst gefunden habenden Orgelkomponisten.
Die Bach’sche D-Dur-Girlande der Sinfonia „Wir danken dir Gott“ BWV 29 in der sattsam bekannten Dupré-Einrichtung, das von Liszt für Orgel transkribierte Adagio aus der 4. Sonate für Violine und Cembalo (nach BWV 1017) sowie das monumentale Diptychon Toccata und (Doppel-)Fuge F-Dur (BWV 540) eröffnet, eloquent und unter Vermeidung prätentiöser historisierender Schnörkel des auch als Bach-Spieler überaus souverän und kultiviert agierenden Interpreten die fantasievoll-innovative Programmzusammenstellung.
Liszts Präludium und Fuge auf den Namen BACH (1855/1870) erfährt hier eine ausgewogen-abgeklärte Darstellung, bar aller unangenehmen und überzogenen Virtuosen-Allüren. Fast „zu schön“ geriert sich bei dem Liszt’schen Opus der Registerfundus süddeutscher Provenienz der Sandtner-Orgel in weicher intonatorischer Geschmeidigkeit, fast ein wenig zu süßlich, möglicherweise eben doch allzu „cäcilianistisch“ bzw. liturgisch ausgerichtet …
Liszt arrangierte in der diesen Tonträger abrundenden Wagner-Trias zugleich auch dessen Pilgerchor aus Tannhäuser. Aus Sigfrid Karg-Elerts Feder stammen das hier zu hörende Arrangement des Parsifal-Vorspiels und die Festmusik aus den Meistersingern – allemal lohnende und hö­renswerte, weil (allzu) selten gespielte Transkriptionen, die einer nahezu verlorenen Orgelmusikkultur nachspüren, die mit Orchester­adaptionen vor 120 Jahren Furore machten. Flierl widmet sich diesen Wagner-Trouvaillen auf hohem spie­lerischen Niveau mit zupackendem Temperament.
Angesichts des hier abgelieferten rundum professionellen Orgelspiels wünscht man Axel Flierl auch weiterhin bonne chance et bon courage für künftige Präsentationen derart lohnender Programmkombinationen. Die CD-Edition gewinnt durch das ansprechende, didaktisch klug mit Bild- und Textdokumenten ausgestattete Booklet sowie eine brillante Aufnahmetechnik einen tadellos-informativen Hintergrund.

Wolf Kalipp